Ratingen "Wenn's heiß ist, piepen die Pfeifen"

Ratingen · Roswitha Jödicke tourt mit ihrem Mann und einer holländischen Tanzorgel durch die Lande.

Ratingen: "Wenn's heiß ist, piepen die Pfeifen"
Foto: Blazy Achim

Ein Fischhandel heißt so, ein Mittel fürs Backen auch, eine Landschaft und eine so genannte Tanzorgel. "Zeelandia". Das prachtvolle Teil steht heute in Ratingen vor der Pfarrkirche St. Peter und Paul und macht Musik im Auftrag der Ratinger Schützen, die ihr großes Fest auf diese spektakuläre Weise einläuten. Doch die große Musikmaschine ist es nicht allein, die da Eindruck schindet: Roswitha Jödicke und ihr Mann, die Besitzer des Musikinstruments, machen ihre Späßchen ringsum. "Wir haben das schon in den vergangenen Jahren getan und immer großes Interesse gefunden", meint die Frau, die sich beim künstlerischen Einsatz "Rollen-Riecke" nennt.

Wenngleich sie sich für den Einsatz vor der großen Tanzorgel aufbrezelt, auch bei Auftritten mit der Drehorgel farbenfroh gekleidet daherkommt, so ist Roswitha Jödicke keinesfalls in der Tingeltangel-Welt groß geworden. Sie stammt aus Berlin, wo sie 1949 geboren wurde, mit zwei Brüdern aufwuchs und eine Ausbildung als Industriekauffrau absolvierte. Und in dem Beruf war sie bis zur Verrentung auch zuverlässig tätig.

Es war die partnerschaftliche Zuneigung, die die Frau aus Berlin mit dem langjährigen Freund ins Rheinland übersiedeln ließ. 44 Jahre ist man inzwischen zusammen, vor 26 Jahren wurde in Ratingen geheiratet. Die Jödickes wohnten erst in Düsseldorf, zogen dann nach Ratingen und fühlen sich seither in Tiefenbroich wohl. Und von dort gehen die Touren mit den kleinen Drehorgeln oder mit dem großen Prachtstück los.

Christel Reinke, seit zwei Jahrzehnten mit Roswitha Jödicke eng befreundet, lobt an ihr ihre Beständigkeit und ihre Zuverlässigkeit. "Außerdem ist sie zielstrebig, fröhlich und verfolgt ein einmal geplantes Vorhaben unerschütterlich", meint sie. Dazu könnte sie noch erwähnen, dass Roswitha Jödicke Funktion, Technik, Ablauf, Macken und Schwierigkeiten der großen wie der kleinen Orgeln mit Begeisterung erklären und anschaulich darstellen kann.

Heute wird die Orgel vor der Pfarrkirche sicher auch wieder viele Ratinger anlocken, die einmal das Innenleben des Meisterwerks aus niederländischer Fertigung betrachten möchten. Und alle werden um einiges schlauer nach Hause gehen können. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Wetter auswirkt: Da eine Menge Holz verbaut worden ist, machen sich sowohl Feuchte als auch trockene Hitze bemerkbar. "Wenn's sehr heiß ist, piepen die Pfeifen."

Mit Hilfe der Jahrmarktsorgel versuchten Schausteller seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ihre Vergnügungsbetriebe für das Publikum attraktiver zu gestalten. Karussells, Schiffschaukeln, Reitschulen und das Panoptikum, das begehbare Schauzelt umwarben das Publikum mit musikalischen Darbietungen. Dennoch kann auch heutzutage ein gutbürgerliches Ehegespann den vielklingenden Prunk vorstellen. Einen Affen braucht Rollen-Riecke jedoch nicht zu Hause zu füttern und auswärts auf der Drehorgel lieb aussehen lassen, sie braucht auch keinen Tanzbären an der Kette zu führen.

Beim großen Instrument gibt es inmitten der Pracht einen Dirigenten, der - von Zauberhand bewegt - gelegentlich den Taktstock hebt und zwei Schellenmänner mit sparsamen Bewegungen, während im Innern und 68 Tonstufen "Schmidtchen Schleicher", Beliebtes von André Rieux und den Walzerkönigen Strauss ertönt, während Pfeifen, Trommeln, Becken und Pauke erklingen.

Ob nun in Groß oder Klein, ob mit moderner Musik oder mit Moritaten - diese Orgeln haben sich mit welchen Accessoires auch immer in die Gegenwart gerettet. Sollen immer auch eine Anmutung von Holland oder Berlin rüberbringen - ob sie nun in Deutschland oder auch bei Auslandsreisen oder auf Festivals gespielt werden.

Im normalen Alltag bleiben uns nur die Minispieluhren, die vornehmlich "Für Elise" oder "Happy Birthday" intonieren, wenn man im richtigen Tempo daran dreht.

(gaha)
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