Ratingen Werben für die gesamteuropäische Idee

Ratingen · Klaus Hänsch, Ex-Präsident des Europaparlaments, war zu Gast im Haus am Turm.

 Klaus Hänsch weiß: Es ist nicht immer leicht, Kompromisse zu finden.

Klaus Hänsch weiß: Es ist nicht immer leicht, Kompromisse zu finden.

Foto: Achim Blazy

Dieser Mann ist Europäer aus vollster Überzeugung. Jeder, der Klaus Hänsch im Haus am Turm zuhörte, musste schnell zu dieser Überzeugung gelangen. Der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments (1994 bis 1997) war auf Einladung der sozialdemokratischen AG 60plus in die Dumeklemmerstadt gekommen, um mit den Menschen über sein "Baby" zu sprechen - Europa und die Europäische Union. Und da gab es jede Menge Redebedarf: Brexit, aufkommender Populismus und Nationalismus, erfolglose Krisenbewältigung (Euro, Flüchtlinge), TTIP und viele Herausforderungen mehr! Und so hatte die AG 60plus eine klare Frage als Überschrift formuliert: Schwindet das Vertrauen in die europäische Friedens-, Wohlstands- und Wertegemeinschaft? Hänsch widerspricht entschieden: "Die Zustimmungswerte der Europäischen Union steigen in Umfragen in Deutschland und einigen anderen Ländern immer weiter. Mehr als die Hälfte der Menschen sind der Meinung, dass es gut ist, Mitglied in der EU zu sein. Das war schon einmal anders." Bei manchem Politiker könnte solch ein Satz wie Schönrederei klingen, nicht so bei Klaus Hänsch. Da spricht ein Mann, der daran glaubt, was er sagt, der Werte hat. Das liegt sicher auch daran, dass er weiß, wovon er spricht. Er kennt die Institution EU sehr gut. Vor seiner Tätigkeit als Parlamentspräsident war er Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion in Brüssel.

Und so ist er auch heute noch ein gerngesehener Gast, wenn es um Europa geht. Und da steht gerade im Zeichen der Flüchtlingssituation die Frage über allem, ob das Modell der angedachten Vereinigten Staaten von Europa überhaupt noch Realität werden kann, schließlich kochen nahezu auf dem gesamten Kontinent nationale Bewegungen hoch. Abkapseln statt miteinander nach Lösungen zu suchen, scheint für manche Regierungen die oberste Devise zu sein: "Manche denken, dass Europa schlicht überfordert ist und wollen sich lieber raushalten. Es ist wie eine Art Flucht vor Überforderung. Das mag verständlich sein, ist aber hoch gefährlich", so Hänsch. Wohin das führen könne, habe die Geschichte des 20. Jahrhunderts gezeigt. Und so ist Hänschs Ansage an diesem warmen Sommerabend klar: Nur wer sich gemeinsam den Herausforderungen stellt, hat die Gelegenheit, sie zu bewältigen. Und dazu müsse man sich eben auf Kompromisse einlassen - auf allen Seiten: "Das ist nicht immer einfach", weiß der Europäer aus Überzeugung: "Aber es ist möglich."

Man wünscht sich, dass er Recht hat.

(RP)
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