Ratingen Wie Hella von Sinnen Märchen verzaubert

Ratingen · Begeisterte Ratinger spenden im Stadttheater viel Applaus für Geschichten aus dem Buch - und Geschichten aus dem Leben.

 Hella von Sinnen verlieh zwei Stunden lang Hans Christian Andersens Märchen auf eigenwillige Art Flügel.

Hella von Sinnen verlieh zwei Stunden lang Hans Christian Andersens Märchen auf eigenwillige Art Flügel.

Foto: Achim Blazy

"Voices" hieß das Festival der Stimmen. Und davon hat Hella von Sinnen eine Menge. Um es richtig zu verstehen: Sie kann ganz schön laut kreischen und hat dann viel Stimme. Sie kann aber auch ganz leise sprechen und hat auch dann viel Stimme, nämlich viel-sagende. Und damit erfreute sie nun ein äußerst zugetanes Publikum, das sich im Ratinger Stadttheater zu einem ordentlich gefüllten Parkett zusammengefunden hatte.

Sie verlieh zwei Stunden lang Hans Christian Andersens Märchen Flügel und machte den Zuhörern sehr wohl klar, dass der Tatort nicht allein im deutschen Fernsehen zu Hause ist, sondern in manch einer eher verzauberten Geschichte des dänischen Schriftstellers.

Doch bevor man sich in die filigrane Welt der alltäglichen Versponnenheit fallenlassen konnte, galt es erst einmal, sich Frau von Sinnen zu nähern: Ja, sie trug die gelb-weißen Haare wie einen geharkten Kiesweg auf dem Haupt, sie war mit einem Overall wie ein Lübecker Hütchen umhüllt, golden mit Kronen und Herzen bedruckt, beflittert und zudem auch noch mit allerlei Strass behängt. Aber - was will Frau machen, wenn die Erwartungshaltung der fernsehenden Zuschauer groß ist und die Bühne so verdammt dezent dunkel? Sie machte ziemlich zu Beginn den Feuerwehrleuten in den Kulissen klar, dass deren munteres Plaudern auf der Bühne stört. Unmissverständlich tat sie das, nahezu charmant. Wenig später musste sie einen ähnlichen Spruch herumspazierenden Männern widmen. Das war auch witzig.

Und dann die Märchen - ganze Welten taten sich auf - und es waren nach der "Prinzessin auf der Erbse" nicht etwa die Geschichten aus der Andersenschen Hitparade, sondern eher unbekannte Geschichten. "Die Teekanne" mit ihrem tragischen Schicksal, "Die Stopfnadel", die sich bis in den Rinnstein ihre Hochachtung vor sich selber erhält. Es ging um Rosenstöcke und Tautropfen, unbenannte Blattläuse und Schnecken.

Nun setzt sich eine Hella von Sonnen nicht zwei Stunden, unterbrochen von einer Pause, hinter einen liebevoll umhüllten Tisch und trägt unablässig Märchen aus dem Buch vor. Die Frau hat schließlich - ist sie inzwischen auch schon inmitten der Fünfziger angekommen - selber einiges an Märchenstoff erlebt. Und das erzählt sie wirklich kurzweilig. Da ist es ganz gleichgültig, ob die Wohnung mit Cornelia Scheel, die ihnen über einem Supermarkt ein unterhaltsames Dasein mit traurigen Einsprengseln garantiert hat - ob es diese Wohnung nun gibt oder nicht.

Die Ratinger quietschten jedenfalls begeistert. Und sie spendeten bei den Märchen aus dem Buch genau wie bei denen aus dem Leben unablässig Szenenapplaus. Womit man im Stadttheater auch nicht immer um sich wirft.

Ob es nun um die ausgetauschte Melone ging, den traumlosen Schlaf in einem sächsischen Überwachungshotel oder darum, wie andere Menschen sie beschreiben - die Kurzweil regierte. Fast unmerklich streute sie so viel über den nicht hübschen Märchenschreiber Andersen ein, über seine Reisen, seine Lieben, dass man schon schlauer nach Hause ging als erwartet.

(gaha)
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