Ratingen "Wie schön, dass ich ein Gärtner bin"

Ratingen · Der Gartenbau- und Heimatverein Tiefenbroich wird 90 Jahre alt. Auch bei den Mitgliedern kümmern sich meist die Frauen ums Grün.

Seit neun Jahrzehnten kümmert sich der Verein ums gepflegte Grün in Tiefenbroich, wahrscheinlich in den Anfängen mehr ums ertragreiche Gemüse auf heimischer Scholle. Doch inzwischen ist es für viele Mitglieder ein Zentrum geselliger Treffen und tradierten Gemeinschaftsempfindens. Und es kommt auch Spaß auf, denn sonst stünden in der Jubiläumsschrift nicht folgende Zeilen:

"Der Gärtner wackelt mit der Hüfte, zieht Frühlingsduft schon durch die Lüfte? Vergessen sind Rheuma, Pein und Gicht; wer jetzt nicht sät, der erntet nicht! Hacke, Spaten, Draht, - alles steht parat; das Herz des Gärtners wird ganz weit - Er spürt sie schon - die Frühlingszeit! Der Boden dampft, die Erde riecht, auf den Knien er umher nun kriecht, und pflanzet, säet und zupft, dann springt er auf, und lacht und hupft durch die Beete, über die Quartiere, spricht mit Vögel, Mäusen und sonstigem Getiere, er gräbt und rechet und hackt, doch findet er, vom Tatendrang gepackt, bei seiner Arbeit immer noch die Muße zum Schauen, Freuen und zum Gruße an die Natur und zum Weibe hin: Wie schön, dass ich ein Gärtner bin."

Nun will kein Dorfpoet für diese Zeilen den Kopf hinhalten, doch die zahlreichen Vorgärten und die hinterm Haus in Tiefenbroich signalisieren schon entsprechenden Spaß, zumindest verstärkten Einsatzwillen. Der wird eben seit 90 Jahren von immer wieder neuen Verantwortlichen angestachelt.

Als der damalige Obst- und Gartenbauverein Eckamp-Tiefenbroich gegründet wurde, war jeder fein raus, der einen Hausgarten hatte. So kümmerte sich der Gründungsvorstand erst mal um Gärtner, die "Feingemüse und Edelobst" anbauten.

Der erste Vorsitzende war Hugo Gröbel, der sich offenbar mehr ums Wachsen und Pflanzen kümmerte als um die Anfertigung von Vereinsdokumentationen. "Leider liegen uns keine schriftlichen Unterlagen aus den Jahren 1924 bis 1964 vor", sagt Wolfgang Kutsch, seit zwei Jahren Vorsitzender, und "aus mündlichen Berichten wissen wir, dass es dem Gründungsvorsitzenden zu verdanken ist, dass der Tiefenbroicher Gartenbauverein zu den ältesten und besten im Kreis Niederberg zählte. Es wurden Ausstellungen veranstaltet, die den Verein bekannt machten".

Nach dem Krieg wurden die knappen Sämereien und Düngemittel vom Vereinsvorstand verteilt, so dass der Verein einen gewaltigen Aufschwung nahm und zwischen 200 und 300 Mitglieder stark gewesen sei. Vorsitzende waren nacheinander Anton Hey und Wilhelm Pollender.

Im Jahr 1966 wurde Gerhard Buss zum Vorsitzenden gewählt, sieben Jahre später Walter Schönfelder. Mit anderen hat er 39 Jahre den Verein, der damals noch Gartenbauverein hieß, erfolgreich geführt. In die Zeit fällt auch die Verleihung des Umweltschutzpreises der Stadt Ratingen an den Verein. Er veranstaltet seitdem mit dem Grünflächenamt - jetzt Amt für Kommunale Dienste - Blumenschmuck- und Vorgartenwettbewerbe, bei denen erfolgreiche Gärtner für leuchtenden Blumenschmuck oder attraktive Anpflanzungen mit Preisen ausgezeichnet werden. Nachdem der Heimatverein eingeschlafen war, wurde dessen Name den Gartenfreunden zugeschlagen.

Dem Landesverband mit 25 000 Mitgliedern liegt deren Fortbildung am Herzen - den 270 Tiefenbroicher Mitgliedern eher die Geselligkeit. Was dem Verein allerdings nicht immer unlieb ist. So gehört das Erntedankfest heute Abend im "Jägerhof" mit bunter Unterhaltung und stets üppigem Dekor zu den Höhepunkten des Jahres.

Kutsch, der großzügig das Krauchen, Schneiden und Pflanzen überwiegend seiner Frau Gisela überlässt, der aber nicht verhehlt, dass ihm der üppige Rosenschmuck am eigenen Haus besonders gut gefällt, weiß: "In den meisten Gärten kümmern sich die Ehefrauen ums Grünen und Blühen". Aber auch die Ehemänner, die sehr wohl bei schweren Schleppereien zu Hilfe kommen, wissen es zu schätzen, dass der Verein bei einigen Gartenzentren, Baumschulen und einem Baumarkt zehn Prozent Rabatt bekommen, wenn die Mitgliedskarte vorgelegt wird. Sie nehmen nicht nur - sie geben auch: Beim Nikolausfest, beim Weihnachtsfest auf dem Sackerhof und vor allem beim unermüdlichen Einsatz für den Garten der Paul-Maar-Schule. Dass manches städtische Grün in Tiefenbroich keine Begeisterung findet, mag dann mal auf einem anderen Blatt stehen.

(gaha)
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