Die Wupper Am Ende gibt's Einigkeit, Recht und Freiheit

Remscheid · Einst markierte sie das Ende der Wupper: die Schiffsbrücke an der Mündung. Jetzt wird sie als Ausflugsziel wiederbelebt.

 Wird bald eröffnet: Die Schiffsbrücke besteht aus einem Ponton (l.), und den Schiffen Tjalk und Aalschocker. Der Klipper wird noch angegliedert.

Wird bald eröffnet: Die Schiffsbrücke besteht aus einem Ponton (l.), und den Schiffen Tjalk und Aalschocker. Der Klipper wird noch angegliedert.

Foto: Uwe Miserius

Gabriele Pelzer wird sich 2014 an ihren Computer setzen und ein Buch schreiben. Über das Projekt, das sie seit 19 Jahren begleitet: die Wupper-Schiffsbrücke bei Rheindorf. Noch in diesem Jahr soll das "einzigartige kulturhistorische Denkmal" — so bezeichnete NRW-Verkehrsminister Michael Groschek die Steganlage 2012 beim Richtfest — offiziell eröffnet werden. Wiedereröffnet. Denn die Steganlage an der Wuppermündung gibt es fast seit einem Jahrhundert.

"Eine Brückenverbindung über die Wupper als letzter Übergang vor der Mündung sogar noch viel länger", berichtet die Geschäftsführerin des Fördervereins Schiffsbrücke. "1775 existierte die schon, es gibt ein altes Dokument, in dem die Rede ist von ,An der kaiserlichen Brücke'."

Was mit der über die Jahrhunderte geschah, ist ungewiss. Fakt aber ist, dass es um 1920 kurz vor der Mündung wieder eine Steglage gegeben hat — noch nicht auf Schiffen, sondern aus offenen Holzbooten als Schwimmkörper und einem Brettersteg. Acht Jahre zuvor waren die "Farbenfabriken vor. Friedr. Bayer & Co. AG" nach Leverkusen gezogen, nannten sich von da an Bayer Leverkusen. "Als Bayer hier richtig Fuß gefasst hatte, kamen Wanderarbeiter längs des Rheins.

Die Steganlage war die kürzeste Verbindung von Rheindorf zu Bayer nach Wiesdorf", erzählt Pelzer. Dass der Steg über die Wupper stark belaufen war, bemerkte freilich auch Stegbesitzer Heinrich Gless. Er baute die Anlage in den 30er Jahren aus und erhob Brückenzoll. "zehn Pfennig mit Fahrrad, fünf Pfennig ohne", sagt Pelzer. Später löste die Stadt Leverkusen den Brückenzoll ab, vereinbarte einen Zuschuss zum Unterhalt der Brücke.

Dann kam der Krieg und mit ihm 1945 die Sprengung der Anlage. Ein Jahr später baute Gless die Brücke aus Eisenpontons wieder auf, zehn Jahre später riss ein Unwetter die Anlage auseinander. "Gless kaufte Klipper und Tjalk und später den Aalschocker", berichtet Pelzer.

Die Plattbodenschiffe Klipper und Tjalk nannte er Einigkeit und Freiheit, sie sollten als schwimmende Tragpfeiler für eine dauerhafte Brücke dienen. Den Aalschocker taufte er auf den Namen Recht. Anfang der 70er: Die Brücke wurde noch immer von Bayer-Arbeitern genutzt, die nach Feierabend dort auch mal ein Bierchen tranken, denn mittlerweile war die Schiffsbrücke nicht nur Weg über die Wupper, sondern auch Ausflugsziel mit Schänke.

Als die Wuppermündung Mitte der 70er Jahre verlegt wurde und eine Pontonbrücke bekam, war Gless sauer, denn die Finanzspritze der Stadt fiel weg, die Reparaturkosten an den Schiffen blieben. Nach Gless' Tod wechselte die Brücke häufiger die Besitzer, 1992 sank die "Recht" nach einem Brand. Die Besitzverhältnisse wurden undurchsichtig. "Ich bin angesprochen worden, ob ich mich nicht kümmern will", erzählt Pelzer. Sie wollte. Damals wusste sie noch nicht, dass die Rettung der Schiffsbrücke ein Kampf gegen Windmühlen werden würde. "Ich wusste nicht, dass es so viele Behörden gibt", gesteht sie.

Die Brückenretter brauchten starke Nerven. Zwei Schiffe waren abgesoffen, als sie 1994 die Arbeit aufnahmen, alle drei "sahen fürchterlich aus, Vandalen hatten hier gehaust". Von B wie Bauamt (Pelzer: "Es ist zwar eine schwimmende Anlage, aber laut Behörde muss es als Gebäude abgenommen werden") bis S wie Sponsorensuche hat Pelzer mit ihren Mitstreitern in 19 Jahren alles durchlebt. Ihre Motivation: "Denkmäler haben keine Lobby. Die Schiffsbrücke ist ein Stück Identität Leverkusens." Und soll wieder über die Grenzen der Stadt hinaus bekanntwerden. Tjalk und Aalschocker liegen in der alten Mündung, daneben ein Ponton, darüber verläuft der Steg. Mit ein bisschen Glück dürfen Interessierte ihn näher inspizieren, wenn Vereinsmitglieder vor Ort sind. Der Klipper soll als Ausflugssegler angegliedert werden. Auf der Tjalk wird ein Café eingerichtet, Speisen wie Flammkuchen, Suppen und den "Schiffsjungen", eine Art Hotdog, sollen angeboten werden. Im Aalschocker sorgt ein Kiosk für Erfrischungen.

Damit Gäste den Weg an den alten Wupperarm finden, werden im Herbst wegweisende Stelen auch in der Umgebung Leverkusens aufgestellt. Vielleicht wird sich im kommenden Jahr Gabriele Pelzer unter die Ausflügler mischen, die sich Einigkeit und Recht und Freiheit am Ende des Flusses ansehen. Vielleicht schreibt sie ihr Buch dort. Auf der Wupper-Schiffsbrücke.

www.schiffsbruecke.com

(RP)
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