Remscheid Arzt schreibt Ratgeber fürs Liebesleben

Remscheid · Dr. Gunnar Schauf, leitender Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in der Fabricius-Klinik, erklärt Menschen mit künstlichem Gelenk, welche Liebesstellungen gefahrlos möglich sind und welche nicht. Ein Notfall gab den Anstoß.

 Noch im OP-Kittel zeigt Dr. Gunnar Schauf sein Buch auf dem Flur von Station 3 in der Fabricius-Klinik. Foto: Jürgen Moll

Noch im OP-Kittel zeigt Dr. Gunnar Schauf sein Buch auf dem Flur von Station 3 in der Fabricius-Klinik. Foto: Jürgen Moll

Foto: Moll Jürgen

Mehr als 3000 künstliche Gelenke hat Dr. Gunnar Schauf in seinem Berufsleben implantiert. Die Fälle, in denen seine Patienten das Gespräch vor oder nach der Operation auf mögliche Konsequenzen für ihr Liebesleben brachten, sind verschwindend gering. Höchstens versteckt werde das Thema mal angesprochen, berichtet Gunnar Schauf. Etwa, wenn ein Mann nach den Auswirkungen für das Tennistraining fragt, "obwohl ich weiß, dass er gar kein Tennis spielt". Ein anderer Patient überließ mit den Worten "meine Frau möchte Sie etwas fragen" das Thema verschämt seiner Gattin.

Doch auch der leitende Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in der Fabricius-Klinik an der Brüderstraße selbst brachte das Thema bislang im Patientengespräch selten zur Sprache. Die Mehrzahl der Menschen ist im Rentenalter, geht schamvoll und distanziert mit dem Thema um. Im kurz getakteten Klinik-Alltag spiele auch das Thema Zeit eine Rolle, sagt Schauf.

Auslöser, ein Buch über "Sex für Prothetiker" zu schreiben, war vor Jahren der Notfall eines älteren Herren (75). Er hatte sich das künstliche Hüftgelenk ausgerenkt, das Schauf ihm zwei Jahre zuvor implantiert hatte. Bei der Frage, was passiert sei, druckste der Mann erst lange rum, bis er erklärte, dass es sich um einem Unfall beim Sex handelte.

Seinen Hinweis, dass das Krankenhaus ihm zwar alle möglichen Verhaltensregeln für den Umgang mit seinem Gelenk gegeben, das Thema Sex aber ausgelassen habe, empfand Schauf als berechtigt.

Dass es von diesem Erlebnis bis zum fertigen Buch dann noch ein paar Jahre dauerte, hat wieder mit dem Arzt selber und seinen Bedenken zu tun. Lange habe er überlegt: Kann man das machen? Ist das nicht zu anstößig oder gar sexistisch? Am Ende siegte der Wunsch, den Menschen "die Angst und die Unsicherheit zu nehmen". Die Sorge vor Verletzungen oder Schmerzen mache die Patienten zu vorsichtig. "Sie können viel mehr machen, als sie denken."

Eineinhalb Jahre hat der Mediziner an dem Buch gearbeitet, das neben einer medizinischen Einführung über die verschiedenen Prothesen auch 17 Liebesstellungen für Menschen mit künstlichen Gelenken enthält. Die Namen wie "Schmetterling" oder "Nummer sicher" sind einer deutschen Variante des Kamasutra entnommen. Die Zeichnungen steuerte ein Designer bei. Eine einfache Legende mit Farben und Symbolen macht deutlich, was mit welcher Prothese geht oder nicht geht.

Der besondere Gimmick des Buches steckt im hinteren Buchdeckel. Mit dem "Liebesfächer" können die Einschränkungen von Mann und Frau per Lochkarte übereinander gebracht werden. Hat etwa sie eine künstliche Hüfte und er ein künstliches Kniegelenk, bleiben immer noch acht bedingt taugliche und eine sorgenfreie Variante für das Liebesspiel übrig.

Seit dieser Woche ist das Buch auf dem Markt. "Die ersten Reaktionen sind positiv", berichtet Schauf im Gespräch zwischen zwei Operationen. Dass er sich des Themas angenommen habe, fänden die Menschen gut. Dumme Sprüche von Kollegen? Bislang Fehlanzeige.

(hr)
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