Interview "Autoverkehr haben wir genug"

Remscheid · Nicole Schulte ist seit Anfang dieses Jahres Mitarbeiterin im Fachdienst Umwelt der Stadt Remscheid. Als nächstes großes Projekt kümmert sie sich um die Mobilitätsstrategie. Was genau sich dahinter verbirgt, erklärt sie im Interview.

 Umweltmanagerin Nicole Schulte.

Umweltmanagerin Nicole Schulte.

Foto: Jürgen Moll

Frau Schulte, was genau verbirgt sich hinter der Mobilitätsstrategie?

Schulte Wir entwickeln das Ganze vor dem Hintergrund des Klimaschutzes. Denn ein Fünftel der Treibhausgas-Emissionen geht auf den Verkehrssektor zurück. Daher möchten wir diesbezüglich eine Strategie entwickeln, um zum einen Handlungsempfehlungen für die Politik zu erarbeiten, zum anderen Maßnahmen entwickeln, um den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten und nachhaltige Mobilitätsangebote zu fördern. Das Ergebnis wird dann in einem Bericht zusammengefasst präsentiert und soll von der Politik zur Umsetzung beschlossen werden.

Warum muss die Strategie erarbeitet werden?

Schulte Das Stichwort heißt Klimaschutz. Es gibt ja von der Stadt Remscheid schon das integrierte Klimaschutzkonzept, das vom Stadtrat im Februar 2014 beschlossen wurde. Davon ist die Mobilitätsstrategie ein Teilaspekt.

Wer kümmert sich um die Erarbeitung?

Schulte Für die Koordination bin ich in meiner Funktion im Fachdienst Umwelt der Stadt Remscheid zuständig. Ich werde von vielen Fachakteuren unterstützt. Denn das Thema Mobilität ist ziemlich interdisziplinär. Aus der Stadtverwaltung sind weitere Kollegen aus dem Fachbereich Umwelt dabei, dann Kollegen von der Stadtplanung, der Verkehrsplanung. Dazu kommen Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer, des Verkehrsclubs Deutschland, der Stadtwerke Remscheid, der EWR und der Technischen Betriebe sowie weiterer Verbände und Vereine. Wir wollen uns bewusst breit aufstellen, weil das Thema Mobilität breitgefächert ist und nicht nur den Autoverkehr beinhaltet. Zur Erarbeitung der einzelnen Themengebiete treffen wir uns regelmäßig im Rahmen von Workshops.

Wann soll der Prozess abgeschlossen sein?

Schulte Vorgesehen ist, dass das Konzept Mitte nächsten Jahres stehen soll. Dann ist aber noch keine Maßnahme umgesetzt. Nachdem die Stadt die Umsetzung beschlossen hat, soll das nach und nach geschehen.

Kann man absehen, wann die Maßnahmen umgesetzt sind?

Schulte Das hängt natürlich von den jeweiligen Maßnahmen ab. Wir werden sie nach dem Zeitaufwand priorisieren und danach, wann wir mit der Umsetzung starten wollen. Manche können sofort umgesetzt werden, etwa diverse Kampagnen für diverse Zielgruppen: Fahrradfahrer, Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Jugendliche. Es kann aber auch sein, dass es bei manchen Maßnahmen Jahre dauert, bis sie tatsächlich umgesetzt sind.

Am Freitag und Samstag waren Sie mit Infoständen an der Alleestraße sowie auch an der Fahrradtrasse vertreten. Was versprechen Sie sich von den Ideen und Vorstellungen der Bürger?

Schulte Für uns ist es besonders wichtig, die Bürger zu hören, denn schließlich sind sie ja der Hauptverursacher des Verkehrs. Und vor allen kennen sich die Menschen vor Ort am besten aus. Und sie sind diejenigen, die die Angebote und Maßnahmen künftig nutzen werden. Wir wollen besonders auch Alltagswissen abfragen. In den Workshops sitzen wir vor allem mit Menschen aus Institutionen zusammen. Jetzt versuchen wir, zu den Bürgern zu gehen. Wir wollten bewusst keine Veranstaltung machen, zu der die Menschen kommen müssen. Unser Ziel ist es, mit allen Bürgern in Kontakt zu kommen. Wir haben einen großen Stadtplan drucken lassen, auf dem uns die Menschen ganz konkret zeigen können, wo der Schuh drückt.

Werden weitere Veranstaltungen auf der Straße geplant?

Schulte Ja, das ist jetzt auch eine Art Versuchsballon, es wird über das Jahr verteilt weitere Infostände geben.

Was ist mit dem Schlagwort "Nahmobilität" gemeint?

Schulte Damit meinen wir Fußgänger und Radfahrer, generell geht es dabei um kurze Strecken.

Welche Art der Mobilität ist aus Ihrer Sicht in der Stadt wünschenswert?

Schulte Das ist schwierig zu beantworten. Autoverkehr haben wir auf jeden Fall genug - die Pkw-Zahlen steigen, obwohl die Einwohnerzahl stagniert. Vor diesem Hintergrund entwickeln wir auch die Mobilitätsstrategie, um eben klimafreundlicher zu werden. Daher ist ein wichtiger Punkt der Strategie, die Menschen für das Fahrrad und den ÖPNV zu begeistern. Klar, Fahrrad ist gerade im Bergischen ein schwieriges Thema - aber es gibt ja immerhin mittlerweile die E-Bikes und die Fahrradtrassen.

Welche Rolle spielt die Feinstaubbelastung in diesem Kontext?

Schulte Die gehört auf jeden Fall dazu. Es gibt ja bereits den Luftreinhalteplan der Stadt, und unsere Kollegin aus dem Immissionsschutz ist auch mit an Bord. Es gibt diesbezüglich bereits einige Maßnahmen, etwa zur Verkehrsflussregelung. So wird es etwa an der Freiheitsstraße neue Lichtsignal-Anlagen geben.

Wie kann man die Bürger vom Auto aufs Rad oder zum ÖPNV zu bekommen?

Schulte Auch das wird meine Aufgabe sein. Aufbauend auf der Mobilitätsstrategie werde ich Kampagnen installieren. Was das für Kampagnen sein werden, wird durch die Strategie festgelegt. Ein wichtiges Thema könnte der Ausbau der Infrastruktur für Fahrradfahrer sein, denn in einer Stadt wie Remscheid ist es leider noch nicht so gegeben, dass man die Fahrräder auch irgendwo abstellen will, wenn man damit unterwegs war. Außerdem müssen wir die Autofahrer dafür sensibilisieren, dass es vermehrt Fahrradfahrer gibt. Es ist hier nicht so wie in Fahrrad-Städten wie Leipzig oder Münster. Der Aspekt Verkehrssicherheit ist wichtig. Ich kann auch nur von mir sprechen: Ich würde gerne mehr Fahrrad fahren, aber ich fühle mich einfach nicht sicher genug. Eine Maßnahme wäre ein Mobilitätstagebuch: Da schreibt man auf, wann und wofür man das Auto genutzt hat.

Können Mietfahrräder dabei vielleicht eine Rolle spielen?

Schulte Das könnte natürlich ein Thema sein. Es muss im entsprechenden Workshop besprochen werden, inwiefern das Thema in Remscheid Sinn ergibt. Immerhin geht die Trasse bis Wuppertal durch.

WOLFGANG WEITZDÖRFER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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