Remscheid Beim Essen gibt es keine Kompromisse

Remscheid · Petra und Ulrich Heldmann feiern am 1. Juli das 20-jährige Bestehen ihres Restaurants - eine Erfolgsgeschichte.

 Petra und Ulrich Heldmann

Petra und Ulrich Heldmann

Foto: Jürgen Moll

Der 1. Juli 1995 war ein Samstag. Petra und Ulrich Heldmann hatten ihren beiden Kinder - ein Jahr und zweieinhalb Jahre alt - zu den Großeltern verklappt, um sich ganz auf den Start in die Selbstständigkeit zu konzentrieren. Seeteufel, Kalbsragout, Lammrücken und anderes bot die Küche á la carte an. Die neugierigen Gäste strömten in die Concordia. "Wir haben den ersten Tag einigermaßen überlebt", sagt Petra Heldmann fast 20 Jahre später. "Erst danach ging es richtig los", fügt Ulrich Heldmann hinzu. Ein glücklicher Start sieht wohl anders aus. Das kleine Team arbeitete und schuftete am Rande der Überforderung. Die Gäste mussten zu lange auf das Essen warten. Es waren holprige Schritte in die Zukunft als Restaurantbetreiber, die sich im Nachhinein als eine Erfolgsgeschichte liest. Nur wenige Beobachter hatten dies für möglich gehalten.

Feinschmecker-Küche in Remscheid? "Das schafft ihr nie. Dafür ist Remscheid kein Pflaster." Solche Töne haben Petra und Ulrich Heldmann in den ersten Jahren immer wieder gehört. Vor ihnen waren einige Pächter der großbürgerlichen Villa in der Innenstadt gescheitert. Die Pessimisten mussten nach und nach ihre Köpfe einziehen. Am 1. Juli besteht "Heldmann's Restaurant" 20 Jahre.

Pommes und Kroketten aus der Fritteuse ziehen, Schnitzel und Gemüse warmhalten - so hatte sich Ulrich Heldmann sein Leben als Koch nicht vorgestellt. Kochen sollte mehr sein als Speisen aufzuwärmen und auf einem Teller zu verteilen.

Er stellte sich als junger Mann beim Sternekoch Clemens Averbeck in Münster vor - und konnte gleich am nächsten Morgen anfangen. Münster entpuppte sich als harte Schule. Seine Zwölfstundentage verliefen zweigleisig. Er musste als Koch seine Leistung bringen und zugleich neues Wissen und Handwerk erlernen. Aber die Schule bei Averbeck brachte ihm eine freudige Gewissheit: "Ich wusste nun, was ich machen will", sagt Heldmann. Mit dem neuen Selbstbewusstsein eines 22-Jährigen erwachte auch schnell der Wunsch, sein eigener Chef zu werden. Heldmann entwickelte eigene Ideen von Speisearrangements. Er wollte nicht für ewig im kulinarischen Fahrwasser des jeweiligen Restaurantchefs schwimmen. Als Langstreckenläufer weiß er, dass man einen langen Atem braucht, um zum Ziel zu kommen.

"Unsere Küche sollte mediterran sein", sagt Petra Heldmann. Das heißt: gute und frische Produkte und dazu feine Soßen. Aus diesem Dreiklang komponiert Heldmann seine Speisen, die sich vom Alltäglichen abheben, mit einem speziellen Aroma aufwarten, und Geschmacksexplosionen aus Gegensätzen hervorzaubern.

Heldmann kommt schnell bei den Feinheiten der Rezepte an, wenn er von seinem Handwerk erzählt wie zum Beispiel von der Zubereitung des Couscous mit Garnelen aus dem Atlantik. Da erzählt ein Gewürztüftler, der keine Ruhe gibt, bis das eine zum anderen passt.

Viele der Produkte, die er verarbeitet, kommen aus der Region. Das Fleisch vom Remscheider Metzger Nolzen, das Wild vom Bauern Kempe. Manchmal bringt ein Angler einen Hecht oder Zander vorbei. "Mir war es von Anfang an wichtig zu wissen, wie die Tiere gehalten werden und wo sie aufwachsen", sagt Heldmann. So knüpfte er ein Netzwerk des Vertrauens.

Bei gewissen Speisewünschen zeigte sich das Ehepaar kompromisslos. Wer für seine Kinder Pommes bestellen will oder nach Ketchup verlangt, bekommt den freundlichen Hinweis auf ein schönes Püree - aber Pommes gibt es bei Heldmanns nicht. Niemals.

Ihre Kompromisslosigkeit führte zum Erfolg. Seit 2001 gehört Heldmann zu den Sterne-Köchen in Deutschland. Er ist der einzige Sternekoch im bergischen Städtedreieck. Diesen Stern zu erkochen ist wie eine Krönung. Ihn aber jedes Jahr wieder verliehen zu bekommen - bis auf ein Mal - ist eine noch größere Leistung. Abend für Abend, Gericht für Gericht, gilt es, niemals unter das eigene Niveau zu fallen. "Ich bin nicht jeden Tag gleich gut", sagt Heldmann. Kleine Schwankungen halten sich aber so im Rahmen, dass der Gast immer noch die Sterneküche schmeckt. Mit dem Bistro Fity Six bauten sich Heldmanns ein zweites Standbein. Bistro und Restaurant vergleicht Heldmann mit Kino und Theater. Ins Kino kann man spontan gehen, für das Theater bestellt man vor und freut sich ein paar Tage drauf.

Heldmanns Küche gehört zu den Locations, mit denen Remscheid werben kann. Wie sehr die Verbundenheit zu dem Restaurant mit den Jahren gewachsen ist, lässt sich an der Geschichte eines Ehepaares aus Solingen ablesen. Jede Woche kommt das Rentnerpaar seit zehn Jahren in die Brüderstraße - und wenn sie in Urlaub fahren, melden sie sich ab, damit sich keiner Sorgen um sie machen muss.

Nicht nur viele Gäste, auch das Personal hält den Heldmanns die Treue. 36 Leute haben bei ihnen gelernt. Häufig gehörten sie zu den Besten der Ausbildungsjahrgänge. Unter dem Stichwort "Heimkehr" wollen die Heldmanns zusammen mit den Auszubildenden und Mitarbeitern aus 20 Jahren am 3. Oktober einen schönen Tag für die Gäste gestalten - und abends feiert man unter sich. Geschichten vom holprigen ersten Tag machen dann sicherlich die Runde.

(RP)
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