Remscheid Coco Chanel - Tanz als Zumutung

Remscheid · Lange hat es im Teo Otto Theater nicht mehr eine so langweilige und enttäuschende Aufführung gegeben wie die des Balletts des Salzburger Landestheaters. Ohne Esprit, ohne Ausdruckskraft, ohne eigene Bildersprache.

 Szene aus der Aufführung "Mythos Coco Chanel" des Balletts des Salzburger Landestheaters.

Szene aus der Aufführung "Mythos Coco Chanel" des Balletts des Salzburger Landestheaters.

Foto: Landestheater

REMSCHEID Der Beginn des Abends befremdet. Wenn der Choreograph Peter Breuer die Bühne betritt, um zu erklären, warum er sich mit dem Mythos Coco Chanel beschäftigt habe und auf welche Schwierigkeiten er dabei gestoßen sei, stellt sich Misstrauen ein. Glaubt der Künstler nicht an die Kraft seiner Bilder, an die Kunst seines Ensembles, an die Stimmigkeit seiner Collage aus dem Leben dieser bedeutenden Frau des vorigen Jahrhunderts? Tanz braucht keine Worte der Erklärung. Aber auch ein Schweigen des Choreographen hätte ein ästhetisches Debakel nicht verhindert.

Coco Chanel wollte die Welt der Mode auf den Kopf stellen, und genau dort fing sie an: bei den Hüten der betuchten Damen. Sie rupfte die Frau buchstäblich, erst die Hüte, dann die Kleider. Die Volants, Schnürungen, die opulent wogenden Röcke und sich plusternden Keulenärmel, sie alle fielen Chanels Talent zur Verknappung und Straffung zum Opfer. Ihr Stil: schlichte Stoffe, klare Schnitte, monochrome Farben.

Die Revolution in der Mode deutet die Choreographie nur an. Coco zupft mal einen Ärmel ab, zerrt mal am weißen Kragen, macht schnipp-schnapp mit der großen Schere oder schaut rauchend auf eine neue Kollektion. Der Bühnenbildner findet keinen Ausdruck, das Außergewöhnliche zu betonen. Er arbeitet mit ausgelutschten Bildern. Hüte schweben von der Decke, die Kleidung erinnert eher an Konfektion als an Edelstoffe. Und wo es an einer individuellen Bildidee fehlt, lässt er einen Zwischenvorhang aus Plastikfolie niedersausen, auf den Projektoren ungelenk das Bild der Nobeltapete von Coco Salon werfen. Kulissentheater zum Einschlafen.

Mit drei Cocos erzählt Breuer die Lebensgeschichte der Künstlerin. Als Kind, als junge und als ältere Frau. Die Männergeschichten dieser modernen Frau verleihen ihrem Leben Größe und Intensität. So viel Leid, so viel Schmerz, so viel Sehnsucht und so viel gefährliche Leidenschaften. Keiner der beiden Tänzerinnen schafft es auch nur im Ansatz, der individuellen Gefühlslage dieser Figur gerecht zu werden.

Die gestanzten Gesten der Verzweiflung bewirtschaften nur die Klischees von Trauer und Schmerz. Zu sehen sind maskierte Gefühle, keine prägnanten Emotionen. Die tänzerische Qualität des Balletts kann wenig überzeugen. Den Zweierszenen fehlt es an Intimität, an der Kraft der Verschmelzung und der Wucht des Zerfalls. Ihr Ablauf ist vorhersehbar.

Ob Coco nun den Grafen, Strawinsky oder den Nazi-Offizier liebt, die Körpersprache scheint austauschbar. Individuelle Nuancen in dieser Liebesbiografie lassen sich nicht entdecken. Ob Musik von Satie, Strawinsky oder ein französisches Chanson - auf der Bühne bewegt sich fast immer alles gleich. Ensemblenummern zerfransen zu Einlagen wie im Zirkus. Da fliegt ein junger Tänzer mit großen Sprüngen drei Runden über die Bühne. Ballett als Showeinlage.

Am Applaus gemessen hat der Abend vielen Besuchern gut gefallen. Vielleicht wäre es dennoch besser gewesen, das Eintrittsgeld für eine Flasche Chanel N° 5 zu sparen. Der Duft erzählt mehr vom Mythos dieser Frau als dieser muffige Ballettabend.

(RP)
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