Jürgen Hardt im Interview "Das Bergische Land soll sichtbarer werden"

Remscheid · Der bergische Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (CDU) verspricht Entlastung des Bundes für verschuldete Städte und mahnt zu größerer regionaler Eigenständigkeit. Für eine direkte Zugverbindung von Remscheid nach Düsseldorf will er sich persönlich einsetzen.

Wie fühlt sich die Große Koalition für Sie als Abgeordneter an? Es verstärkt sich zunehmend der Eindruck, da arbeitet zusammen, was nicht zusammen gehört.

Hardt Die Wähler haben die Große Koalition gewollt, und wir Abgeordneten sind entschlossen, sie zum Erfolg zu führen. Der Koalitionsvertrag ist kein Wunschkonzert, so lösen nicht alle Entscheidungen bei mir eitel Freude aus. Ich wünsche mir, dass die sozialdemokratischen Kollegen hinter unseren Projekten genauso solidarisch stehen wie wir hinter Prestige-Projekten der SPD. Ich habe aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich mir eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition gewünscht hätte.

Die bergischen Städte ächzen unter der Last zunehmender Leistungen, die sie erbringen müssen, etwa für Flüchtlinge oder im Sozialbereich. Ist Hilfe vom Bund in Sicht?

Hardt Sowohl in dieser als auch in der letzten Legislaturperiode ist schon viel geschehen. Die Kosten für die Grundsicherung im Alter sind komplett übernommen worden. Das sind fünf Milliarden Euro im Jahr. Die Soforthilfe für die Kommunen in Höhe von einer Milliarde sowie 500 Millionen Euro jährlich für Flüchtlinge kommen hinzu, ebenso wie das bundesweite Investitionsprogramm für besonders finanzschwache Kommunen in Höhe von insgesamt fünf Milliarden Euro. Spätestens ab 2018 wird der Bund die Eingliederungshilfe mit weiteren fünf Milliarden Euro jährlich mitfinanzieren. Ich fordere von der Landesregierung, dass dieses Geld auch wirklich an die besonders finanzschwachen Kommunen fließt. Von dem Geld für die Flüchtlinge hat sie die Hälfte einbehalten. Alles zusammengerechnet wird der Bund zwischen 2010 und 2018 Länder und Kommunen um insgesamt 125 Milliarden Euro zusätzlich entlasten.

Das Geld für die Flüchtlinge wird sicher nicht reichen.

Hardt Am 18. Juni gibt es zu dem Thema eine Ministerpräsidentenkonferenz. Da erwarte ich von der Landesregierung, dass sie sich zu ihrer finanziellen Verantwortlichkeit für die Flüchtlinge bekennt, und auch der Bund sollte nachlegen. Laut Verfassung bleiben aber Länder und Kommunen für die Flüchtlingsaufnahme in der Pflicht.

Remscheid, Solingen und Wuppertal wollen enger zusammenarbeiten. Ein neuer Regionalrat hat sich gegründet. Was kann er bewirken?

Hardt Ein gemeinsamer Auftritt der Region für Investoren von außen ist eine Riesenchance. Dabei hilft uns die geografische Lage mit ihrer Nähe zu den Metropolen Köln und Düsseldorf. Diese Lage im Zentrum Europas ist attraktiv für Investoren, doch müssen wir ihnen Gewerbeflächen anbieten. In Berlin erlebe ich immer wieder, dass wir unterschätzt werden und im Wahrnehmungsschatten des Ruhrgebiets liegen. Die Eigenständigkeit des Bergischen Lands sollte stärker sichtbar werden.

Was nutzt die Nähe zu den Metropolen , wenn Verkehrswege dicht sind. Auf der Autobahn 1 gibt es weiter täglich lange Staus vor Leverkusen. Der lange Bahnstreik hat bei Pendlern und Unternehmen für Frust gesorgt. Wie wichtig ist Mobilität?

Hardt Ein rascher Neubau der Leverkusener Brücke würde uns helfen, und ich freue mich, dass der Rat der Stadt Solingen entgegen dem Wunsch der rot-grünen Landesregierung in einem Beschluss auf einem direkten Anschluss der Stadt an die A 3 besteht. Ich werde mich dafür einsetzen, dass der "Müngstener" nicht wie bisher in Solingen endet, sondern eine direkte Verbindung von Remscheid sowie Solingen-Mitte über Ohligs nach Düsseldorf geschaffen wird. Das als Hinderungsgrund genannte Problem einer Überlastung der Strecken auf der Rheinschiene müssen wir lösen. Und wenn es eine direkte Zugverbindung Remscheid-Köln gäbe, würde Remscheid attraktiver für Menschen, die in Köln arbeiten.

Sie sind Amerika-Beauftragter der Bundesregierung und in dieser Mission viel unterwegs. Deutsche Bürger fühlen sich durch die Ausspäh-Praxis der Amerikaner bedroht. Können Sie sie beruhigen?

Hardt Vorab: Bei den Amerikanern reden wir viel darüber, was möglicherweise geschieht. Andere Staaten, die auch Daten sammeln, halte ich für eine deutlich größere Bedrohung für unsere Freiheit als die USA. Gleichwohl gilt: Illegales Datensammeln anderer Staaten auf dem Boden Deutschlands muss ohne Ansehen der handelnden Nation strafrechtlich verfolgt werden. Bisher hat es aber keine gerichtsverwertbaren Belege für solche Aktivitäten gegeben. Dass Daten deutscher Internetnutzer, die über amerikanische Server laufen, dort von der NSA möglicherweise mitgeschnitten werden, können wir kritisieren, doch rechtswidrig ist das nicht, denn auf amerikanischem Boden gelten andere Gesetze als bei uns. Der US-Präsident hat eine Gesetzesänderung zum Datenschutz vorgelegt, die aber nur US-Bürger besser schützen soll. Ich setze mich in Gesprächen mit Kongress-Kollegen dafür ein, diesen Schutz auch auf Europäer auszuweiten. Das wäre ein echter Vertrauensbeweis.

Bernd Bussang führte das Gespräch.

(RP)
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