Remscheid Das Foto dreht am Bild der Wirklichkeit

Remscheid · Das von der Heydt-Museum zeigt Arbeiten aus seiner eigenen Fotosammlung in der Kunsthalle Barmen.

Dem Sammeln von Malerei hat sich das von der Heydt-Museum verschrieben. Moderne Kunstformen wie Fotografie oder Video will es aber nicht ignorieren. So ist über die Jahre eine fotografische Sammlung mit 900 Exponaten entstanden. Eine Sammlung, die sich nicht mit den großen Foto-Sammlungen in Köln und Essen vergleichen will, aber für sich beanspruchen kann, ein paar Entwicklungsschritte in der Geschichte der Fotografie darstellen zu können.

Es fehlen große Namen wie Andreas Gursky, Wolfgang Tillmans, Thomas Ruff oder Thomas Struth. Auch wenn es "Becher-Türme" des epocheprägenden Fotografenpaars Bernd und Hilla Becher gibt sowie experimentelle Aufnahmen von Laszlo Moholny-Nagy, die Mehrzahl der gesammelten Fotografen stammt von Künstlern aus Wuppertal. Sie haben vielleicht nicht die große Bedeutung wie die auf dem Kunstmarkt gehypten Kollegen. Sie stehen aber für Strömungen innerhalb der Kunstgeschichte der Fotografie, die nun in ihrer spannungsvollen Entwicklung in der neuen Ausstellung der Kunsthalle Barmen zu verfolgen ist.

"Wir sind keine Experten auf dem Gebiet der Fotografie", sagt Museumsdirektor Dr. Gerhard Finkh bei der Vorstellung der Schau. Aber das Museum besitze genug Expertise, um mit Bordmitteln zu zeigen, was alles in diesem vergleichsweise jungen Kunstbereich möglich ist.

Zu Beginn des Umgangs mit der neuen Technik stand die Faszination, die Wirklichkeit auf ein Blatt Papier zu bannen. Die Wirklichkeit, so wie sie ist. Die authentische Wirklichkeit. Das Foto fühlte sich in der Nachahmung der Realität der Malerei überlegen. Doch mit dem dokumentarischen Charakter gab die Fotografie sich nicht zufrieden. Das lässt sich gut erkennen an den drei Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die die Bechers vom Wuppertaler Schwebebahnhof Werther Brücke inszeniert haben. Drei Aufnahmen aus drei verschiedenen Perspektiven. Ohne Menschen. Ohne Schwebebahn. Nur der Bau zählt und die visuelle Struktur der modernen Stahlkonstruktion. Die Parallelität der drei Aufnahmen hebt die moderne Architektur heraus aus der reinen Abbildhaftigkeit und hinein in neue ästhetische Sphären. Der Schwebebahnhof als visuelle Plastik.

Von diesen Schaltstellen zwischen Dokumentation und künstlerischem Ausdruck erzählt die Ausstellung mit einigen feinen Beispiele. Die Affinität des neuen Mediums zu moderner Architektur lag für viele Fotografen nahe. Mit dem Auge der Kamera ließ sich am Bild der Wirklichkeit drehen. Der Wuppertaler Peter Keetman besuchte im Jahr 1953 Deutschland berühmteste Autoschmiede, VW in Wolfsburg. Auf seinen Aufnahmen lässt sich kein VW-Käfer blicken, kein Reifen ist zu sehen, kein Arbeiter montiert eine Kurbelwelle. Keetmann lichtet Kabelknäule ab, die glitzernden Strukturen von Transporttüren und die Oberflächen von Einstiegsbelchen. Die ästhetische Perspektive interessiert sich nicht für Produktionsvorgänge. Strukturen und Lichtverhältnisse setzen sich als prioritäre Sicht auf die neue Autowelt durch. Heute eine Selbstverständlichkeit.

Die Ausstellung mit dem Titel "Experimenta" gliedert sich in fünf Abteilungen: Porträts, Architektur, Experimente und Strukturen, konzeptuelle Programme und Neue Wege. Der Besucher wird mit verschiedenen Erwartungshaltungen an die Fotografie konfrontiert. In den 70er und 80er Jahren zum Beispiel stellt sich nicht mehr die Frage nach der Realität in der Fotografie, sondern nach der Realität der Fotografie selbst. Die Fotokunst zieht eine neue Reflexionsebene ein.

Zu den Paradedisziplinen der Fotografie zählt das Porträt. Unter anderem hängen dort viele bekannte Gesichter aus Wuppertal, von Pina Bausch über Alice Schwarzer bis Johannes Rau. Ein Foto von Erich Lessing zeigt den Maler Alfred Kokoschka beim Betrachten eines Selbstbildnisses von ihm. Zwei Kunstwelten - Fotografie und Malerei - verweisen aufeinander. Zwei Welten, die in Wuppertal nicht voneinander lassen können.

(RP)
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