Remscheid Das müssen Sie sehen - Tillmans im K 21

Remscheid · Die angekündigte Dauer von Kunstausstellungen haben einen Haken. Sie verführen manchmal dazu, den Besuch zu verschieben nach der Devise: "Ich habe ja vier Monate Zeit, da findet sich bestimmt ein Termin." Und plötzlich naht das letzte Wochenende – und ausgerechnet dann ist eine unverschiebbare Familienfeier, und ein Kunstbesuch findet nicht statt. Wer dieser Aufschieberitis bei der Ausstellung des Remscheider Fotografen Wolfgang Tillmans im K21 in Düsseldorf erlegen ist, für den gibt es eine gute Nachricht. Am Wochenende werden die Bilder nicht wie vorgesehen abgehängt, sondern die von Tillmans selbst kuratierte und gehängte Werkschau ist bis zum 9. September zu sehen.

 Wolfgang Tillmans vor einem Bild aus der Serie "Freischwimmer", das in der Düsseldorfer Ausstellung gezeigt wird.

Wolfgang Tillmans vor einem Bild aus der Serie "Freischwimmer", das in der Düsseldorfer Ausstellung gezeigt wird.

Foto: Andreas Erdmann (Archiv)

Die angekündigte Dauer von Kunstausstellungen haben einen Haken. Sie verführen manchmal dazu, den Besuch zu verschieben nach der Devise: "Ich habe ja vier Monate Zeit, da findet sich bestimmt ein Termin." Und plötzlich naht das letzte Wochenende — und ausgerechnet dann ist eine unverschiebbare Familienfeier, und ein Kunstbesuch findet nicht statt. Wer dieser Aufschieberitis bei der Ausstellung des Remscheider Fotografen Wolfgang Tillmans im K21 in Düsseldorf erlegen ist, für den gibt es eine gute Nachricht. Am Wochenende werden die Bilder nicht wie vorgesehen abgehängt, sondern die von Tillmans selbst kuratierte und gehängte Werkschau ist bis zum 9. September zu sehen.

Warum man diese Ausstellung nicht verpassen sollte? Die Antwort auf diese Frage gibt gleich eine große Fotografie, die im Eintrittraums des umgebauten Ständehauses auffällt. Sie zeigt großformatig einen Hirsch, der neugierig einen jungen Mann betrachtet, der sich an irgendeinem unspektakulären Strand als Tourist niedergelassen hat. Dort steht er nun mit Rucksack, Flipp-Flopps und formt seine Hände zu einem Geweih. Die Schwarz-Weißaufnahme ist mit einer sandfarbenen Patina überzogen, als wäre das Foto von der Sonne gegerbt worden. So fremd wie sich Tier und Mensch an diesem unwirtlichen Ort gegenüberstehen, so fremd steht man manchen Aufnahmen von Tillmans gegenüber. Und doch ist einem vieles vertraut. Tillmans zeigt die Realität, wie sie ihm erscheint. Er spielt nicht mit der Wirklichkeit.

Zur Bandbreite seiner künstlerischen Arbeit gehören neben Porträts, Interieurs, Landschaften, Himmelsaufnahmen und Stillleben auch seine in der Dunkelkammer ohne Kameralinse entstandenen abstrakten Bilder, Videoarbeiten, Tischinstallationen, die eigene Arbeiten, Zeitungsartikel und ausgewählte Materialien — unter anderem Prospekte aus Remscheid — zu gesellschaftspolitischen Themen versammeln. Zuletzt entstanden auf seinen Reisen um die Welt seine erstmals digital aufgenommenen "Neue Welt"-Bilder. Dabei verbindet Wolfgang Tillmans mit seinen Arbeiten neben einem ästhetischen immer auch ein grundsätzliches Interesse an gesellschaftspolitischen Themen. Tillmans probiert sich ständig neu aus. Seine vielschichtige Entwicklung ist ein weiterer Grund, nach Düsseldorf zu fahren.

Speziell ist auch seine Art der Hängung. Ohne Rahmen, locker an die Wand geklebt. Diese Wände aus ungerahmten Fotos scannt man beiläufig nach Motiven ab, wie die Magazin-Strecken, die er in den Achtzigern und frühen Neunzigern als Fotograf belieferte. In dieser Hinsicht war er stilbildend. Man hat das Gefühl, er sei gerade noch rechtzeitig erschienen, bevor Internet, Smartphone und Blogs die Jugend in ein Kaleidoskop von schnellen Fotoschüssen zersplitterten. Zumindest hat er darauf hingewiesen, dass man seine Frisuren, Tattoos, Piercings, Kleider auch so dokumentieren kann, dass der Körper nicht wie zugerichtet zurückgelassen wird, dass Nacktheit und Sexualität auch gelöst, entspannt und unternehmungslustig aussehen können — gleichwohl auch mancher Blick unter die Röcke der Punkszene das bürgerliche Gemüt erschrecken kann.

Noch ein letzter Grund, Tillmans Fotos zu sehen. Es gibt keinen Fotografen, der hingeworfene Jeans an einem Treppengelände so beiläufig schön fotografiert wie er.

Ausstellung, K21, Standehausstraße 1, Düsseldorf. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags,10 -18 Uhr, samstags, sonntags, feiertags von 11-18 Uhr, montags geschlossen, Eintritt zwölf Euro.

(RP)
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