Remscheid Der Mann mit der Bass-Stimme

Remscheid · Der Schriftsteller, Übersetzer, Schauspieler, Vorleser und passionierte Trinker Harry Rowohlt tritt nächste Woche in der Klosterkirche auf. Dort liest er aus seinen Büchern und erzählt Geschichten.

Seine Lesungen sind legendär. Sie enden manchmal nicht vor dem Morgengrauen: Harry Rowohlt, geboren 1945, verheiratet, Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt, ist Deutschlands Übersetzer Nr. 1 und kommt nächste Woche in die Klosterkirche. In seinem Vertrag ist ihm üblicherweise zugesichert, dass eine Flasche irischer Whiskey auf dem Tisch steht. Die wird der "Penner" aus der Lindenstraße wahrscheinlich leeren. Rowohlt ist ein großer Trinker.

Er trinkt so gut wie er schreiben und lesen kann. Und er versichert, nüchtern den Abend zu beginnen. Das Publikum habe ein Anrecht darauf mitzuerleben, wie der Referent sich langsam zugrunde richtet. Viele Kollegen erscheinen nach Rowohlts Beobachtung bereits knülle wie ein Schützenkönig, und das sei dann Beschiss am Publikum. Er hingegen trinke seinen ersten Schnaps nach der Pause und versuche, zehn Minuten vor dem Ende knülle zu sein. Harry Rowohlts Zeit-Kolumne "Pooh's Corner" gibt es handlich verpackt in zwei Bänden mit TexteN zu vielen relevanten Themen. Der Problembär ist los und Harry Rowohlt denkt über die Theodizee nach. Das beginnt mit einem Vorfall in seiner Stammkneipe und endet mit einer erfolglosen Bewerbung eines Hamburgers bei Airbus.

Geehrter Whisky-Trinker

Harry Rowohlt lebt in Hamburg- Eppendorf, ist Übersetzer, Rezitator und Gelegenheits-Schauspieler in der "Lindenstraße". Er hat weit über 100 Bücher aus dem Englischen ins Deutsche übertragen, darunter A.A. Milnes "Pu der Bär" und Frank McCourts Bestseller "Die Asche meiner Mutter", 1999 wurde ihm der "Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung der Deutschen Akadamie für Sprache und Dichtung" verliehen, 1996 erhielt er die Ernennung zum "Ambassador of Irish Whiskey" .

Er hat die Auszeichnungsurkunde irrtümlich in den Mülleimer geschmissen, weil er dachte, es wäre Reklame. Die Begründung für die Verleihung des Sonderpreises für Jugendliteratur liest sich wie ein einziges Loblied: "Ein All-Age-Übersetzer wie Rowohlt, der im erwachsenen und kinderliterarischen Bereich tätig ist, kann den Blick für literarische Qualitäten schärfen, die Werke der Kinder- wie die der Allgemeinliteratur gleichermaßen auszeichnen und so die ohnehin durchlässige Grenze zwischen den Bereichen überschreiten. Es sind Qualitäten wie ausladende Komik, Schrägheit, Hintersinn, Skurrilität, Absurdität, Übertreibung und Genialität, die das gesamte Übersetzungs-uvre Rowohlts durchdringen. Sein ganzes Schaffen zeichnet sich aus durch höchste Ansprüche an sich selbst und Sprachverliebtheit bis zur Sprachbesessenheit."

Rauchige Bass-Stimme

Rowohlts rauchige Bass-Stimme hört man aus dem Meer der Sprecherstimmen sofort heraus. Wer sie einmal im Ohr hatte, wird ihren dunklen Klang nie wieder vergessen. Es ist ein Vergnügen, ihm zuzuhören — ganz besonders in der zweisprachigen Präsentation der ausgewählten Texte. Rowohlts englische, irische, amerikanische Sprachkompetenz ist umwerfend. Das donnert und dröhnt, zwitschert und flüstert, kostet die Lautmalerei beider Sprachen voll aus — und vergisst niemals die Heiterkeit, den Humor, das aufbrausende homerische Gelächter.

(RP/ac)
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