Remscheid Deutschland braucht Anarchie

Remscheid · Jens Neutag gab Vorschläge, wie das Deutschland-Syndrom zu heilen wäre.

Remscheid: Deutschland braucht Anarchie
Foto: Hertgen, Nico (hn-)

Ein wenig Anarchie wäre die geeignete Therapie, die Deutschen von dem Deutschland-Syndrom zu heilen. Das war die Quintessenz des Kabarettisten Jens Neutag. Er war mit seinem sechsten Soloprogramm im Rotationstheater zu Gast. Dort erläuterte er vor vollem Haus seine Diagnose des Deutschland-Syndroms. Für Neutag ist das Verhalten der Deutschen oft einfach nur skurril. Da ärgert sich der Normalbürger über einen Benzinpreisanstieg von drei Cent, verfährt aber dann literweise den Sprit auf seiner kilometerlangen Suche nach der billigsten Tankstelle.

Schonungslos und mit einer riesigen Portion Zynismus hielt er dem deutschen Bundesbürger den Spiegel vor. Warum erteilt man kahlrasierten Sachsen kein Ausreiseverbot nach Mallorca? Die müssten sich mit Schleppern einlassen und in einem Schlauchboot an den Ballermann kommen. Dort würden sie gezwungen, wieder nach Deutschland zu paddeln. Für ihn war es absurd, dass sich Pegida in Dresden gebildet hatte; seit wann sei Dresden im Abendland? Die "Geldelite", sprich "Manager", bekamen ebenso ihr Fett weg wie die SPD.

Als ehemaliger Genosse Willi Brandts mit Staublunge zeigte er als Kumpel die Wandlung der Mitglieder von der Arbeiterlieder singenden Gruppe zur Ministerin auf, die Pippi Langstrumpf im Bundestag intonierte. Doch wie konsequent ist der Deutsche? Er möge zwar Angela Merkel nicht, wähle sie aber immer wieder. Dass die NSA fast alles über ihn erfahre, ist egal. Er hat nichts zu verbergen. In seinem eigenen Garten aber schotte er sich dramatisch per Lamellenzaun vom Nachbarn ab.

Gesundheitswahn, Coffee to go, die Schuldenmacher in Berlin, Lobbyisten in unserer Demokratie, das Lustig-Machen über unsere mit Caravan in Urlaub fahrende Nachbarn und den eigenen Dauerstellplatz - Neutag fand viele Symptome für ein ausgeprägtes Deutschland-Syndrom. Ob es ansteckend wirke? Neutag stellte es sich albtraumhaft als "Verdeutschung" des Auslands vor. Dagegen könne ein wenig Anarchie helfen: wie zum Beispiel die Mülltonne einen Tag zu früh an den Straßenrand stellen.

(RP)
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