Seniorenbüro Die Armut wächst und die Einsamkeit nimmt zu

Meinung | Remscheid · Bald sollte sich herumgesprochen haben, dass Besucher des Seniorenbüros keine Bittsteller sind, sondern Bürger, die Anspruch auf gute Beratung haben.

Hundert Tage Seniorenbüro — die Bilanz fällt auf den ersten Blick glänzend aus. 600 Kontakte verzeichnen die Mitarbeiter. Hundert Tage Seniorenbüro — die Bilanz beleuchtet aber auch eine Wirklichkeit in Remscheid, von der selbst Fachleute überrascht wurden. Das Leben von einem Großteil der in unserer Stadt wohnenden älteren Menschen scheint von Armut und Einsamkeit geprägt zu sein. Statistisch gesehen gibt es zwar keine Generation an Rentnern in Deutschland, denen es so gut geht wie heute.

Unübersehbar wächst aber die Gruppe der Menschen, die nach einem harten Leben nun mit einer schmalen Rente kaum noch über die Runden kommen. Angst macht sich breit vor einer Mieterhöhung. Ein kaputter Kühlschrank oder Fernseher sorgen für schlaflose Nächte. Zu den finanziellen Sorgen gesellt sich meist das frostige Gefühl der Einsamkeit. Als das Seniorenbüro über ein verlängertes Wochenende vier Tage geschlossen hatte, kam eine Frau ins Büro am Markt und sagte: "Gut, dass sie wieder auf haben, ich habe vier Tage mit niemandem gesprochen."

Einsam in seiner Wohnung in der Albert-Schmidt-Allee starb ein Mann vorige Woche in Lennep. Ein Nachbar fand ihn zufällig. Im Sommer verbrannte eine einsame und psychisch kranke Frau in einer Lenneper Dachgeschosswohnung. Wer den Wunschzettel von Altenheimbewohnern zu Weihnachten liest, ist berührt von manch großer Bescheidenheit. Duschgel und Halstücher gehören zu den am häufigsten genannten Wünschen. Das magere Taschengeld reicht dafür nicht aus.

Remscheid kann sich zurecht rühmen für sein großes soziales Netzwerk, in dem die unterschiedlichen Hilfsorganisationen zusammenarbeiten und viele hundert Ehrenamtler sich kümmern. Aber für das Problem Altersarmut scheint die Stadt nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Die Vertreter der Generationen mit prekärer Beschäftigung, gebrochener Erwerbsbiografie und minimalem Rentenanspruch stehen in den nächsten Jahren vor der Tür.

Darauf deuten heute schon viele Entwicklungen und Daten in der Arbeitslosen- und Sozialstatistik hin. In ein paar Jahren, so ist zu vermuten, kommt die Stadt mit der Personalausstattung des Seniorenbüros nicht mehr aus. Sie muss aufstocken und umfänglicher arbeiten. Bis dahin sollte sich herumgesprochen haben, dass Besucher des Seniorenbüros keine Bittsteller sind, sondern Bürger, die Anspruch auf gute Beratung und schnelle Hilfe haben.

(RP)
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