Schwerpunkt Bundestagswahl 2017 Die drei (ungleichen) Brüder

Remscheid · Der bergische Bundestagswahlkreis 103 ist ein Unikat in Deutschland. Nur hier wählen Bürger aus drei Großstädten gemeinsam ihren Mann oder ihre Frau für Berlin. Ein wirklich sicherer Wahlkreis für eine Partei ist es nie gewesen.

Bundestagswahl 2021 - Kandidaten für Solingen-Remscheid-Wuppertal II (Wahlkreis 103)
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Die Kandidaten 2021 für Solingen-Remscheid-Wuppertal II

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Foto: Guido Radtke

Böse Zungen behaupten ja immer wieder, es sei alles, nur kein Zufall, dass die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands ausgerechnet zwischen Solingen und Remscheid liege. Denn immerhin hätten sich die Bewohner der beiden bergischen Städte dann am liebsten, wenn der Abstand zum jeweils anderen möglicht groß sei. Was wiederum die Trennung der zwei Nachbarn durch das tiefe Tal der Wupper, das lediglich von der 107 Meter hohen Müngstener Brücke überspannt wird, ja irgendwie logisch erscheinen ließe.

Allerdings sind gegenseitige Sticheleien doch wohl eher einem nicht ganz ernst gemeintem Lokalkolorit geschuldet. Zumal die Solinger und Remscheider nicht allein auf eine lange gemeinsame Geschichte zurückblicken, sondern seit 1980 auch mit einer Stimme in der deutschen Politik sprechen. Denn in diesem Jahr wurden die zwei kreisfreien Städte endgültig in einem Bundestagswahlkreis zusammengefasst, aus dem fortan jeweils ein gemeinsamer, direkt gewählter Abgeordneter erst nach Bonn, später nach Berlin entsandt wurde und wird.

Dabei ist dieser Wahlkreis, der zunächst unter der Nummer 104 und seit der zurückliegenden Wahl unter der 103 firmiert, ein ganz besonderer. Was wiederum - um die Sache noch etwas komplizierter zu machen - dem großen Bruder Wuppertal zu verdanken ist. Zur ersten gesamtdeutschen Wahl 1990 wurden nämlich noch die Wuppertaler Stadtteile Cronenberg und Ronsdorf zugeordnet, so dass der bergische Wahlkreis heute der einzige bundesweit ist, in dem drei ausgewachsene Großstädte zusammengefasst sind.

Eine Änderung, die den Wahlkreis, wenn man so will, ein bisschen bürgerlicher machte. Denn die beiden auf Wuppertals südlichen Höhen gelegenen Stadtteile, die sich - ähnlich wie Lennep und Lüttringhausen - eigentlich weiterhin als eigenständige Einheit verstehen, wählen deutlich anders als der Rest der Stadt. Bei der vergangenen Bundestagswahl erlebte die CDU im Wahlkreis Wuppertal I mit ihrem Kandidaten eine krachende Niederlage (40,7 Prozent SPD, CDU 33,9), während sich die 25.642 Wähler in Cronenberg und Ronsdorf (Wuppertal II) deutlich für die CDU (44,3) und gegen die SPD (36,6) aussprachen.

Jedenfalls stellt die CDU mit Jürgen Hardt seit nunmehr acht Jahren den Parlamentarier der Region, nachdem zuvor - zwischen 1994 und 2009 - der bergische Vertreter in Bonn/Berlin durchgehend ein Parteibuch der SPD gehabt hatte: Hans-Werner Bertl aus Solingen (1994 bis 2009) sowie Jürgen Kucharczyk aus Remscheid (2005 bis 2009).

Die Probleme, die die jeweiligen Abgeordneten in der Hauptstadt zu bekämpfen haben, sind indes über all die Jahre ähnlich geblieben. So befinden sich die bergischen Großstädte nach wie vor mitten in einem Strukturwandel, der ganz direkte Folgen für die Menschen vor Ort hat. Beispielsweise sind in den zurückliegenden Jahrzehnten in allen drei Städten tausende Jobs weggefallen. Und mit dem Fortzug etlicher, auch großer Unternehmen gerieten die Kommunen zudem immer stärker in eine finanzielle Schieflage: Kein Geld für Kitas, Schulen und Bäder, dafür immer höhere Sozialausgaben, die die Städte unter anderem vom Bund aufgebrummt bekamen. Praktisch aus der Not heraus haben sich die drei ungleichen Brüder Solingen, Remscheid und Wuppertal in den zurückliegenden Jahren enger vernetzt, sind Kooperationen eingegangen. Und begannen auf diese Weise tatsächlich, eine neue, wenigstens partielle gemeinsame bergische Identität zu entwickeln.

Diese Kooperation ist allerdings immer wieder mal Belastungsproben ausgesetzt. Dass die größte Stadt im Dreierbunde dem kleineren Partner Remscheid sein zentrales Projekt DOC in Lennep per Klage torpedieren will, hat die Stimmung zwischen den beiden Stadtspitzen deutlich abkühlen lassen. Hoffnungen, dass mit mittlerweile drei SPD-Oberbürgermeistern an der Spitze (Kurzbach, Mast-Weisz, Mucke) mehr Harmonie einzieht, haben sich nicht bewahrheitet.

(RP)
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