Remscheid Die kuriose Welt der bergischen Hobbits

Remscheid · Einen "Berg von Ideen" haben Bartosz Kistela und Lukas Sembera - sie haben ihr Kunst-Projekt auch gleich so genannt. Mit digitaler Retusche ihrer Fotos bringen die beiden Grafikdesigner das Bergische Land munter durcheinander. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Schabernack, ist auch ein kritischer und gleichsam liebevoller Blick auf die Heimat.

 Die Künstler bei der Arbeit: Damit die Züge auf der Müngstener Brücke nicht zu schwer werden, binden ihnen Lukas Sembera (links) und Bartosz Kistela Luftballons an.

Die Künstler bei der Arbeit: Damit die Züge auf der Müngstener Brücke nicht zu schwer werden, binden ihnen Lukas Sembera (links) und Bartosz Kistela Luftballons an.

Foto: NN

Wenn die Neuenkamper Straße in Form eines Loopings verläuft, am Hauptbahnhof plötzlich eine Achterbahn steht, wenn eine Elefantenherde, womöglich ausgebrochen aus dem Wuppertaler Zoo, durch Solingen läuft, dann haben Bartosz Kistela und Lukas Sembera ihre geschickten Hände im Spiel. Und wenn ihr "Berg von Ideen" mal wieder richtig brummt, stehen sie beide mit Arbeitshelmen vor der Müngstener Brücke und befestigen Luftballons an Zügen in der Größe einer Modelleisenbahn, damit sie leichter über das bergische Wahrzeichen gelangen können.

"Berg von Ideen" so heißt das Kunstprojekt, das die beiden Remscheider vor wenigen Monaten ins Leben gerufen haben. Die beiden Grafikdesigner hatten sich zuvor über das Internet kennengelernt. Dort war Sembera ein retuschiertes Foto Kistelas ins Auge gefallen, das den Remscheider Löwen zeigt, der auf dem Rathausplatz vom Sockel gestiegen ist. Sembera hatte solche Ideen auch, und so kamen die beiden schnell zusammen. Kurz darauf entstand die Loopingidee bei einem gemeinsamen Bierbummel der beiden. Sembera schuf den Looping auf der Neuenkamper Straße mit Hilfe des Computer-Grafikprogramms Photoshop in einer Nacht. Der "Berg von Ideen" spuckte weiter wie ein Vulkan, und nach kurzer Zeit wurde daraus mit Hilfe von Sponsoren eine erste Ausstellung im Remscheider Bowlingcenter "Bowl In" mit 13 teilweise großformatigen Fotomontagen. Wegen des großen Anklangs wurde die Foto-Schau verlängert.

Was auf den ersten Blick wie unterhaltsamer digitaler Schabernack wirkt, ist weit mehr. Auf ihrer Website sind die beiden Remscheider als bergische Hobbits erkennbar, die in der heimischen Natur einen grün leuchtenden Würfel mit einer Spitzhacke bergen wollen, wie einen sagenumwobenen Heimatschatz. Nicht anderes tun sie am heimischen PC, wenn sie die Welt aus fotografischen Versatzstücken neu zusammensetzen. "Das Bergische Land inspiriert", ist auf der Website des Projekts notiert. Es ist zugleich eine augenzwinkernde Liebeserklärung an die Heimat: "Im Namen tragen wir das Erbe des Herzogtums Berg. An unseren Häusern tragen wir den Schiefer des Rheinischen Schiefergebirges. Und im Charakter tragen wir die Vielseitigkeit der Landschaft und des, zugegeben, oft verregneten Wetters." Sembera ergänzt: "Das ist eine so tolle Gegend, doch mancher nörgelt über seine Stadt, und so wollen wir den Menschen den Spaß zurückbringen, hier zu leben."

Die diebische Freude an der Täuschung, die Liebe zur Heimat der beiden Zugereisten - ist das schon Kunst? Das Projekt wächst immer weiter, so wie der "Berg von Ideen", der es trägt. Bisweilen schimmern auch kritische Bezüge durch. So etwa bei der in den Remscheider Bahnhof montierten Achterbahn, die Leben in das von vielen Bürgern als trostlos empfundene Areal bringt. Zunehmend versuchen die beiden Macher, auch das Publikum in ihre Aktionen einzubeziehen. Dass sie kürzlich zunächst ohne genaue Quellenangabe ein äußerst geschickt retuschiertes Foto von der Neuenkamper Brücke als arg ramponiertes Bauwerk ins Netz setzen, sorgte bei nicht wenigen Nutzern, die das Foto über soziale Netzwerke erhalten hatten, für Verwirrung: Ist der Schaden echt oder nicht?

Doch das war eher ein "kleiner Sommerscherz", räumt Sembera ein. Noch möglichst in diesem Jahr, so kündigt Kistela an, wollen sie an der Müngstener Brücke eine besondere Kunstaktion starten. Die Idee geht so: Rund 900 Menschen aus dem Bergischen wollen die beiden Akteure vor dem Wahrzeichen in unterschiedlichen Körperhaltungen in Einzelaufnahmen fotografieren und dann später per Photoshop in ein Foto der Brücke so einsetzen, als kletterten diese Menschen an dem Stahlbauwerk. "Ein weiterer Schritt wäre, die Leute zu ermuntern, ihre eigenen Ideen über Facebook einzubringen", sagt Kistela, "und wir verwirklichen die Idee mit den meisten Likes."

Die turbulente Fantasiereise der digitalen bergischen Hobbits geht also munter weiter.

Infos zum Kunst-Projekt: www.bergvonideen.de

(RP)
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