Remscheid Die mystische Frömmigkeit des Barock

Remscheid · Buxtehudes Kantatenwerk "Membra Jesu Nostri" in der Stadtkirche - das neugegründete Lenneper Vokaloktett gab sein erstes Konzert.

 Premiere in der Lenneper Stadtkirche - das neugegründete Lenneper Vokaloktett trat dort erstmals gemeinsam auf und intonierte Buxtehudes Kantatenwerk "Membra Jesu Nostri".

Premiere in der Lenneper Stadtkirche - das neugegründete Lenneper Vokaloktett trat dort erstmals gemeinsam auf und intonierte Buxtehudes Kantatenwerk "Membra Jesu Nostri".

Foto: Jürgen Moll

Tief in die mittelalterlliche Frömmigkeit und innige Beziehung zur gläubigen Seele der Christen in der Barockzeit zog die vielen Besucher ein Konzert in der Evangelischen Stadtkirche Lennep. Das neu gegründete Lenneper Vokaloktett führte am Karfreitagnachmittag Buxtehudes berühmtes Kantatenwerk "Membra Jesu Nostri" aus dem Jahr 1680 gemeinsam mit Solisten der Barockmusik auf und erlebte, wie diese wunderbare, uns Heutigen eigentlich so fremde Musik das Publikum mit seiner sensiblen Sprache erreichte.

Tiefe Stille nach der einstündigen Aufführung gab dem Nachklingen Raum, und später kamen einzelne Besucher zum Altarraum, um die Sängerinnen und Sänger um Johannes Gessner zu beglückwünschen. Buxtehude widmete das Werk aus sieben Kantaten nach einer Andachtsdichtung des Zistserzienserordens aus dem 13. Jahrhundert seinem Freund Gustav Düben in Stockholm; es gilt als Hauptwerk des nordeutschen Komponisten und Bachvorbilds. Barocke Liebesformeln, zugleich lautmalerische Schilderung und Stimmungen prägen die Kompositionen, was dieser Musik einen ungeheueren Reiz gibt. So fallen gleich zu Beginn bei der Friedensverkündigung die langgezogene, akkordische Engführung der Stimmen auf, die sich in strahlende Grußklänge verwandeln. Extrem hoch sind die Partien der ersten Sopran- und Tenorstimmen, extrem die Anforderung an die Intonation, die Stimmigkeit des Ausdrucks, an das Zusammenklingen mit den feinen Barockinstrumenten der Streichersolisten und der kleinen Orgel. Das Publikum erlebte eine vollkommene Sternstunde der Kirchenmusik.

Von den Füßen über Knie, Hände, Seite, Brust, Herz und Gesicht nähert sich der Gesang immer stärker der mystischen Vereinigung mit dem Leiden Christ.

Bei der Schilderung der "Liebkosung der Knie" wird der Gesang federnd leicht, hell. Im dritten Gesang "ad manus" klagen langsam gezogene Akkordlagen. Buxtehude beginnt und schließt jede Kantate mit denselben Strophen, so dass sich die Abgeschlossenheit der einzelnen Bilder einprägt, die jedoch von Abschnitt zu Abschnitt intensiver werden. Sehnsucht prägt den sechsten Abschnitt "Ad Cor", über die Verwundung des Herzens Christi, mit dem sich das eigene mystisch vereint. In diesem Gesang kommen zwei Violen zum Orchester hinzu, das Oktett singt nun ohne die Soprane, und die Farben der tiefen Stimmen mit denen der Violen lassen einen warmen Klangraum entstehen. Alle vereint singen über das Leuchten des Gesichts des Gekreuzigten im letzten Gesang mit der Bitte um Begleitung in der eigenen Todesstunde. Dieser strahlende, so ausgeglichene, auch schwierige Sologesang der acht Stimmen, die jede für sich eine eigene Klangfarbe in die großartige, so gut intonierte Gemeinsamkeit hineinträgt, ist zu bewundern. Zugleich auch die Kühnheit und Sicherheit des Kantors Johannes Gessner. Schon morgens im Karfreitags-Gottesdienst hatte der große Kirchenchor der Evangelischen Stadtkirche die frühe, heute fast unbekannte, Johannes-Passion des Joachim von Burck aus dem Jahr 1568 in eindrucksvoller Weise aufgeführt. Nachmittags folgte zum Gedächtnis an Christi Sterbestunde die in ihrer Schönheit so ergreifende Kantatenmusik von Buxtehude.

(RP)
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