Remscheid Die Plattkaller reden Klartext

Remscheid · Die diversen Platt-Mundarten in der Region unterscheiden sich teils deutlich. Die Tradition des "Plattkallens" wird allerdings vornehmlich von der älteren Generation gepflegt. Vor allem an Stammtischen wird noch Platt gesprochen.

 Plattkaller Bernhard Hütt im Remscheider Stadtpark. Er sagt, dass sich die Mundarten im Bergischen durchaus ähnlich sind - mit einer Ausnahme: "Das Rader Platt ist ein ganz eigener Sprachstamm, das versteht man als Auswärtiger nur schwer."

Plattkaller Bernhard Hütt im Remscheider Stadtpark. Er sagt, dass sich die Mundarten im Bergischen durchaus ähnlich sind - mit einer Ausnahme: "Das Rader Platt ist ein ganz eigener Sprachstamm, das versteht man als Auswärtiger nur schwer."

Foto: jürgen moll

Das "Platt" gehört zum Bergischen Land wie der Regen, die Kaffeetafel und die Talsperren. Ursprünglich ist es eine ganz eigene Art zu reden, die sich in ganz Deutschland aus der Hochsprache gebildet hat, vornehmlich jedoch im gemeinen Volk gesprochen wurde. So gibt es am Niederrhein etwa die Redewendung, jemandem etwas "platt für da Kopp" zu sagen - was nichts anderes bedeutet, als es dem Gegenüber "in aller Deutlichkeit ins Gesicht zu sagen". "Platt sprechen" ist also "Klartext reden". Allerdings gibt es keineswegs das eine "Bergische Platt", ganz im Gegenteil hat praktisch jeder Hof sein eigenes "Platt" gesprochen - oder "gekallt", wie es auf "Platt" heißt.

Deswegen ist auch Bernhard Hütt davon überzeugt, dass es kein "Remscheider Platt" geben kann: "Es kann schon zur Grenze nach Lennep hin vom Platt in Lüttringhausen oder Remscheid-Stadt unterschieden werden. Im Süden wird anders gesprochen als im Norden." Das könne man etwa am Unterschied zum Wermelskirchener Platt merken. "Wermelskirchen grenzt ja im Süden an Remscheid. Dort ist dann das Remscheider Platt schon viel weicher, eben dem Wermelskirchener Platt ähnlich", sagt Hütt, der im vorigen Monat den 200. Mundartstammtisch in der Denkerschmette veranstaltet hat. "Der Stammtisch findet einmal im Monat statt und hat sich aus dem Arbeitskreis 'Förderer der Remscheider Mundart' entwickelt, heute sind wir der Lüttringhauser Heimat- und Mundartverein", sagt Hütt, der nicht nur alle 14 Tage eine Kolumne schreibt, sondern auch die Theaterstücke für die Lüttringhauser Heimatspiele von Christian Winter in die Mundart übersetzt. Hütt sagt, dass sich die Mundarten im Bergischen durchaus ähnlich sind - mit einer Ausnahme: "Das Rader Platt ist ein ganz eigener Sprachstamm, das versteht man als Auswärtiger nur schwer."

Das wiederum habe mit der sogenannten ripuarischen Sprachgrenze zu tun, an der Radevormwald liege, sagt Otto Cords. Dabei handelt es sich um eine kontinentalwestgermanische Dialektgruppe, eine von drei Sprachgruppen, die das "Rheinische" genannt werden. Der Radevormwalder spricht das Platt seiner Heimatstadt und sieht vor allem den Zungenschlag als entscheidenden Unterschied: "Aber auch die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert hat dafür gesorgt, dass sich das Rader Platt durch Zuwanderung verändert hat", sagt Cords und fügt an: "Es ist allerdings ein Generationsproblem: In Rade versteht man zwar noch Platt, aber kaum noch jemand kann es sprechen." Für ihn hat diese Entwicklung bereits vor 100 Jahren begonnen: "Eltern sorgten dafür, dass ihre Kinder nur Hochdeutsch sprachen - wer damals in die Schule kam und nur Platt konnte, war gleich ein Außenseiter."

In Hückeswagen ist Franz Mostert der Ansprechpartner fürs "Platt": "Wir sprechen hier ein rheinisch gefärbtes Platt. Wir sind ja ursprünglich keine Oberberger, sondern Berger, wir gehören zum innerbergischen Land, das bis Marienheide geht. Und da hält sich auch unser Platt auf", sagt der 79-Jährige, der 1987 einen VHS-Kurs zum "Heukeshowwener Platt" angeboten hatte, aus dem sich die "Heukeshowwener Plattkaller" entwickelten, die sich seitdem bis heute jeden zweiten Mittwochabend im Kolpinghaus treffen, um "Platt" zu "kallen". Leider sieht Mostert kein großes Interesse mehr an der Mundart: "Es ist ja eine Sprache für sich, mit allen Regeln und einer Grammatik - die nur leider droht, in Vergessenheit zu geraten."

Ruth Wecker ist bestens mit dem Wermelskirchener Platt vertraut. "Die 'Mundartfreunde Wermelskirchen' treffen sich einmal im Monat. Dann beschäftigen wir uns mit der Mundart, etwa indem wir Fragen in den Raum stellen: Wie hat man früher gekocht, wie hat man seinerzeit Dinge repariert? Und das wird dann auf Platt besprochen." Wecker teilt Mosterts Sorge, dass die Mundart über kurz oder lang aussterben könnte: "Bei uns ist der Altersdurchschnitt um die 75 Jahre. Wir hatten einmal die Kinder und Enkel eingeladen - die waren dann auch gekommen, aber einmal nur und seitdem nie mehr. Die Jugend hat dafür scheinbar keine Zeit und keinen Sinn."

Auch in Solingen "kallt" man "Platt". Dafür sorgt auch Cornelia Steingans mit ihrer Mundartgruppe "Die Höpperlings". Die 54-jährige Altentherapeutin sieht das "Platt" als Brauchtum und hat es sich zur Aufgabe gemacht, dass die Mundart die Menschen, die sie erreicht, glücklich macht. "Solinger Platt kommt aus dem Herzen. Es ist eine derbe, direkte Mundart, klar. Aber sie trifft den Nagel oft auf den Kopf. Und der Solinger selbst ist ja auch eher direkt", sagt Steingans schmunzelnd. Einmal in der Woche treffen sich "Die Höpperlings", veranstaltet wird der runde Tisch vom Psychosozialen Trägerverein Solingen. "Wir haben jetzt gemeinsam einen Gottesdienst auf Solinger Platt übersetzt. Das war eine ganz schöne Herausforderung, aber am 25. Oktober gibt es nun einen Gottesdienst auf Solinger Platt in der evangelischen Dörper Kirche", sagt Steingans und fügt lachend hinzu: "Wenn mehr Gottesdienste auf Platt gehalten würden, wären die Kirchen sicher voller."

(RP)
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