Analyse Ein kühler Stratege im Dienst der Kultur

Meinung | Remscheid · Nach 16 Jahren als Beigeordneter der Stadt scheidet Dr. Christian Henkelmann aus dem Amt. Viele waren sich häufig unsicher, auf welcher Seite er steht.

 Kulturdezernent Dr. Christian Henkelmann in seiner Lieblingsrolle als Theaterleiter.

Kulturdezernent Dr. Christian Henkelmann in seiner Lieblingsrolle als Theaterleiter.

Foto: Hertgen, Körschgen (Archiv)

Entscheidend ist, was am Ende herauskommt. Diese Parole von Altkanzler Helmut Kohl hat sich auch Kulturdezernent Dr. Christian Henkelmann in seinen 16 Jahren als Wahlbeamter der Stadt immer zu eigen gemacht. Sein Handeln richtete er strategisch aus. Er dachte die politische Situation zwei bis drei Züge weiter, bevor er Position bezog. Bauchentscheidungen gehörten nicht zu seinem bevorzugten politischen Repertoire. Nach zwei Wahlperioden als Beigeordneter, stellt sich nun zum Schluss seiner Dienstzeit die Frage: Was ist am Ende herausgekommen?

Um der Arbeit Henkelmanns in seinen verschiedenen Funktionen gerecht zu werden, hilft es, die Ausgangslage bei seinem Amtsbeginn zu vergegenwärtigen. Als er als Referent des damaligen CDU-Oppositionsführers Helmut Linssen von Düsseldorf nach Remscheid wechselte, verfügte die CDU über eine absolute Mehrheit im Rat. Vom damaligen Oberbürgermeister Fred Schulz bekam er grünes Licht, die Kultur-, Schul- und Sportlandschaft weiterzuentwickeln.

Den Spielplan des Teo Otto Theaters, das damals noch von Helga Müller-Serre geleitet wurde, lobte er in seiner ersten Pressekonferenz in den höchsten Tönen. Schnell arbeitete er sich in alle Themen detailliert ein. Einen CDU-Mann als Kulturdezernent hatte es in Remscheid noch nie gegeben. Dazu einen, der von seiner Ausbildung als promovierter Geisteswissenschaftler auch alle fachlichen Qualitäten mitbrachte. Ein Glücksfall also?

Es ist nicht leicht zu beurteilen, wie viel Anteil ein Dezernent an politischen Entscheidungen hat. Oder ob er sich am Schluss nur an erfolgreiche Projekte hängt, wenn alles schon gelaufen ist, oder sich bei Misserfolg vom Acker macht? Viele Institutsleiter hätten sich mehr Unterstützung erhofft. Das gehört zur DNA von Institutsleitern. Das höchste Lob aus diesem Kreis lautet: "Der lässt mich in Ruhe."

Viele waren sich häufig unsicher, auf welcher Seite er steht. Auf der Seite der Kultur, die in dieser Arbeiterstadt immer kritisch betrachtet wird, oder auf der Seite der Verwaltung, die vorgibt, immer das Große und Ganze im Auge haben zu müssen. Als Kulturdezernent steht man wahrscheinlich immer auf der falschen Seite. Henkelmann hat früh zu erkennen gegeben, wo er sich wenn es eng wird verortet.

Sein erster großer Bewährungsfall war die Suspendierung von Theaterleiterin Helga Müller-Serre. Anstatt sie, deren Arbeit er noch ein paar Monate vorher in den höchsten Tönen gelobt hat, zu schützen, schlug er sich auf die Seite einer schlampigen Staatsanwaltschaft und eines überforderten Oberbürgermeisters. Der Ausgang ist bekannt. Noch nicht einmal eine Anklage gegen Müller-Serre hat das Amtsgericht zugelassen. Freispruch vor dem Arbeitsgericht. Ergebnis: Theater beschädigt, die Stadt musste alle Kosten zahlen.

Der Imageschaden von damals wirkt bis heute atmosphärisch nach. Nach Müller-Serre gelang es Henkelmann nicht mehr, die Stelle adäquat zu besetzen. Unter ihm verlor das Theater seine Identifikationsfigur. Und auch von Nachfolgerin Dorothee Stürmer musste er sich auf juristischem Wege trennen. Mit diesen Ergebnissen machte er sich nicht unbedingt Freunde in der Kulturszene.

Dabei hätte er dringend welche gebraucht. Der politische Wind im Rat drehte sich rasch. Beate Wilding landete einen Wahlsieg als OB-Kandidatin, von dem selbst die Sozialdemokraten überrascht waren. Eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte ab 2009 das Sagen. Das bedeutete, sie musste die Gesetze eines Nothaushaltes befolgen. Das hieß sparen, sparen, sparen. Und da die Kultur eine sogenannte freiwillige Leistung ist, stand sie unter besonderer Beobachtung.

Lange Zeit gelang es Henkelmann, die kulturelle Infrastruktur der Stadt in Zeiten der Finanzkrise zu erhalten. Kein Museum musste schließen, keine Stadtteilbibliothek machte ihre Türen dicht. Hier Stellenabbau, dort Budget-Kürzungen. Mit dem Aufbau des Kommunalen Bildungszentrums konnten drei Institute vereinigt werden, die finanziell heftig auf der Kippe standen. Die Mitarbeiter der Musik- und Kunstschule sahen aber in Henkelmann keinen Verbündeten. Er präferierte nach dem Weggang von Thomas Holland-Moritz anfänglich eine Privatisierung der Einrichtung und ließ ein entsprechendes Gutachten schreiben.

Am Ende entpuppte sich das Kommunale Bildungszentrum als die beste wirtschaftliche Lösung. Atmosphärisch ging auch hier viel Porzellan kaputt, zumal er für die Besetzung der freien Musikschulleitung eine verwaltungsinterne Lösung zuließ und damit das große Ansehen der ersten Musikschule in Deutschland nicht gerade beförderte.

Hier zeigt sich ein Muster in der Ära von Henkelmann. Ein Institut steht auf dem Prüfstand. Es gibt große Drohkulissen von Kahlschlag bis Schließung. Dann kommt die Rettung. Und Henkelmann steht ungewollt als Buhmann da.

Dieses Muster zeichnet sich auch beim Kampf um den Erhalt der Bergischen Symphoniker ab. Als das Actori-Gutachten auf dem Tisch lag, das eine Fusion mit dem Wuppertaler Orchester vorschlug, befürwortete er die Zusammenlegung. Dies sei eine historische Chance. Sein Parteifreund Peter Jung aus Wuppertal brachte die Kooperationspläne in einer Nacht und Nebelaktion zu Fall.

Die größte Stunde des kühlen Strategen Henkelmann schlug, als die Mehrheit von SPD, Grünen und FDP die Nachbarn aus Solingen mit einer Deckelung und Einsparung der Zuschüsse erpresste. Christian Henkelmann heulte mit den Spar-Wölfen und machte sich die Orchesterfreunde zum Gegner. Ergebnis: Erhalt des Orchesters dank eines faulen und nicht lange tragfähigen Kompromisses. Die Bergischen Symphoniker werden für ihn dennoch kein Abschiedskonzert spielen.

Den vielleicht größten Fehler, den man Henkelmann machen ließ, war die Übernahme der Theaterleitung. Er hat das gerne gemacht und auch nicht schlecht, zumal er sein Schul-und Sportdezernat abgeben musste und beim späteren Griff nach der Kämmerei abblitzte. Aber in seiner Doppelfunktion als Dezernent konnte er dem Theater nicht die Präsenz im öffentlichen Bewusstsein verleihen, die ein Theater notwendig braucht.

Und Henkelmann gehorchte geräuschlos den Sparkommissaren. Zwischenzeitlich gab es weniger Geld für den Gastspieletat als Zuschüsse für die Symphoniker. Ein Sündenfall, den der Dezernent noch als Erfolg verkaufen wollte. Wenn Henkelmann nun geht, bleibt ein Gerippe von Theater übrig. Seine Position ist auf eine Halbtagsstelle geschrumpft, das Theater nur eingeschränkt handlungsfähig. Die Schließung der Städtischen Galerie konnte er letztlich nicht verhindern.

Henkelmann blieb irgendwie immer ein Fremder in dieser Stadt. Seine Amtszeit wäre nach kurzer Zeit fast schon zu Ende gewesen. Der Rat der Stadt Münster hatte ihn zum Kulturdezernenten gewählt. Doch er sagte aus familiären Gründen ab. Mit seiner Bewerbung erweckte er aber den Eindruck, dass Kultur in Remscheid nicht seine Kragenweite sei. Seine vielen Aktivitäten fürs Goethe-Institut verstärkten für manche diesen Eindruck noch.

Mit der CDU-Fraktion konnte er nicht viel anfangen. Ein Parteisoldat ist er nicht, sondern ein freier, eigenwilliger Geist, mit dem sich gut streiten lässt. Immerhin ist er der einzige CDU-Dezernent, den die CDU nicht abgewählt hat. Das will in Remscheid schon etwas heißen. Was bleibt? In vielen Situationen besaß er keine glückliche Hand, aber er hat schlimmere Verwerfungen verhindert. Das verdient Anerkennung.

(RP)
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