Remscheid Ein Rentner packt an für die Ärmsten

Remscheid · Die Remscheider Tafel versorgt Bedürftige mit Lebensmitteln. Damit das gut funktioniert, braucht es engagierte Ehrenamtler - wie Günther Patz.

 Günther Patz verteilt seit 15 Jahren Lebensmittel bei der Tafel und kümmert sich um die ehrenamtlichen Helfer.

Günther Patz verteilt seit 15 Jahren Lebensmittel bei der Tafel und kümmert sich um die ehrenamtlichen Helfer.

Foto: Michael Schütz

Um halb elf herrscht Hochbetrieb in dem kleinen Raum des Gemeindezentrums. Die Tische sind im Kreis aufgestellt, die acht Helfer stehen dahinter und packen mit routinierten Handgriffen die Lebensmittel von einer Kiste in die andere. "Das hier ist für die Kannikel im Tierheim", sagt Günther Patz, als er die losen Salatblätter in einer Plastiktasche verstaut. Er ist der Chef, trägt als einziger einen Kittel, alle anderen Schürzen. Er hat ein waches Gesicht mit einer dunklen Brille auf der Nase und sein rollendes R verrät, dass er im Norden aufgewachsen ist. Er spricht ruhig und gelassen, kann aber auch ganz anders, sagt Günther Patz selbst - aber nur, wenn es sein muss. "Dann kann ich auch schon mal laut werden."

Seit 15 Jahren arbeitet der heute 77-Jährige ehrenamtlich bei der Tafel. "Ich kann einfach nicht zu Hause sitzen. Ich wusste: Wenn ich in Rente gehe, will ich ehrenamtlich arbeiten." Zufällig hatte er dann eine Anzeige gesehen, dass die Tafel Fahrer sucht und schon stand er um halb acht morgens vor den Supermärkten. Bald wurde er in den Vorstand gewählt, heute koordiniert er alle Ehrenamtlichen.

Drei Fahrer holen jeden Morgen die Reste der Supermärkte ab und bringen sie in die Ausgabestellen -an acht verschiedenen Orten in Remscheid. Das Gemeindehaus am Hackenberg ist mittwochs dran. Dort sortieren die Ehrenamtler die Lebensmittel und bauen einen kleinen Laden auf, durch den die Bedürftigen wandern können - vom Salat zum Gemüse über die Milchprodukte zum Brot.

Um viertel vor Elf sammelt sich schon eine Schlange vor dem Gemeindehaus. Denn gleich ist Nummernausgabe. Nach dem Zufallsprinzip ziehen die rund 30 Bedürftigen eine Nummer, die die Reihenfolge bei der Ausgabe bestimmt. Wer zuerst da war, spielt keine Rolle. "Vor langer Zeit standen die Leute schon um neun Uhr vor der Tür und haben gewartet. Das Problem haben wir durch das Zufallsverfahren nicht mehr", sagt Günther Patz. Und auch sonst hat sich der frühere Meister in einer Sägenfabrik einiges einfallen lassen, um die Arbeit der Tafel zu organisieren. Die Bedürftigen bekommen die Lebensmittel nach Personenzahl zugeteilt. "Das System eine Person, eine Tüte ist längst vorbei", sagt Günther Patz. "Dann schmeißen die Leute die Hälfte weg." Deshalb haben die Bedürftigen auch die Wahl, wenn es mehrere ähnliche Lebensmittel gibt - Brokkoli oder Blumenkohl, Brot oder Brötchen.

Ansonsten sind die Tafel-Mitarbeiter davon abhängig, was sie von den Discountern bekommen. Drei Euro zahlt ein Erwachsener für einen Einkauf, Kinder werden bei der Menge der Lebensmittel bedacht, kosten aber nicht zusätzlich. Und auch eine Familie mit mehreren Erwachsenen zahlt maximal neun Euro. "Das, was die Bedürftigen bekommen, ist deutlich mehr wert als drei Euro. Dafür können sie sich nicht darauf verlassen, dass sie immer das bekommen, was sie möchten." So gab es auch schon Beschwerden wegen der Qualität der Waren. "Da müssen wir den Leuten klarmachen: Das ist Tafel-Ware, die kommt vom Vortrag vom Discounter. Da ist auch schon mal eine gesprenkelte Banane dabei." Bei der Ausgabe packt Günther Patz noch immer fleißig an und hier zeigt sich auch seine laute Seite. "Manchmal muss man die Leute bremsen und ihnen deutlich machen, dass noch zehn andere hinter ihnen kommen, die auch etwas brauchen."

Auch wenn das System in den Ausgabestellen gut funktioniert, könne der Verein immer neue Ehrenamtler gebrauchen, sagt der 77-Jährige. Ihm sei aber wichtig, dass sie die Arbeit auch ernst nehmen. "Ehrenamt ist freiwillig, aber es ist auch eine Verpflichtung. Man kann nicht kommen und gehen, wie man möchte." Im kommenden Jahr will Günther Patz die Arbeit ein wenig reduzieren, um mehr Freizeit zu haben. Die Arbeit des Vorstands will er aber weiter verfolgen und - wenn nötig - kritisieren. "Ich lege gerne den Finger in die Wunde."

(veke)
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