Solingen Eine Zeitreise auf historischen Schienen
Solingen · Am Wochenende fahren die Bergischen Museumsbahnen zwischen Solingen und Wuppertal zum letzten Mal in diesem Jahr.
Die alte Straßenbahn fährt in eine Kurve, als es plötzlich wieder da ist, jenes Geräusch, dass Michael Schumann das Gefühl gibt, mit einem Mal in seine Kindheit zurückversetzt zu werden. In eine Zeit, zu der Straßenbahnen im Bergischen Land noch zum ganz alltäglichen Bild gehörten - und das Quietschen der Räder auf den Schienen zum guten Ton.
Alles längst Geschichte. Die letzten Straßenbahnen der Region wurden Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts endgültig aufs Abstellgleis geschickt. Wobei das einstmals so beliebte Verkehrsmittel seit 1992 eine zumindest kleine Renaissance erlebt. In jenem Jahr nahmen nämlich die Bergischen Museumsbahnen, deren Vorsitzender Michael Schumann heute ist, ihren Betrieb auf. Seitdem rattern die historischen Wagen in den Sommermonaten auf der alten Strecke zwischen der Kohlfurth an der Stadtgrenze Solingen / Wuppertal sowie dem Wuppertaler Stadtteil Cronenberg.
An jedem zweiten Wochenende kommen Hunderte von Besuchern, die zum Teil aus ganz Europa anreisen, zu dem kleinen Museum im Tal der Wupper, von wo aus sich die alten Bahnen den steilen Berg einmal quer durch den Wald des Kaltenbachtals nach oben bis nach Cronenberg kämpfen. Was in gewisser Weise auch Sinnbild ist für die Anstrengungen, die die Freiwilligen des Vereins Bergische Museumsbahnen bewältigen mussten, ehe die ersten Museumsfahrten in der Kohlfurth starten konnten.
"Zunächst waren die bürokratischen Hürden hoch. Es hat Jahre gedauert, bis wir die Genehmigung hatten", erinnert sich Vereinschef Schumann. Er selbst ist Jahrgang 1955 und wurde schon als kleines Kind mit dem Straßenbahn-Virus infiziert. Denn von seinem Elternhaus in Wuppertal-Oberbarmen hatte Schumann einen direkten Blick auf den dortigen Bahnhof und das scheinbare Gewirr aus Dampfloks und eben Straßenbahnen, die damals noch in dichten Takten verkehrten.
So auch zwischen dem Mühlenplatz im Solinger Zentrum und Wuppertal, wo es ab 1914 einen durchgehenden Straßenbahnbetrieb gegeben hatte. Bis 1969 fuhren die Bahnen unter anderem auf dem Teilstück, das heute den Museumsbahnen gehört. Aber dann war erst mal Schluss - und es ist einzig den Ehrenamtlern des Vereins zu verdanken, dass Straßenbahn-Fans zumindest auf der Strecke durch den Wald inzwischen wieder ein Vierteljahrhundert auf eine Zeitreise gehen können.
Im Lauf der Jahre kaufte der direkt nach der Stilllegung 1969 gegründete Verein Straßenbahnwagen aus dem gesamten Bergischen Land und aus dem Ruhrgebiet. Erste Probefahrten fanden 1973 statt. Der regelmäßige Verkehr wurde, wie erwähnt, 1992 aufgenommen. Seitdem werden zwischen Betriebshof bis Greul sechs Stationen angefahren. Und eine siebte soll bald dazu kommen, damit die Museumsbahnen in Zukunft noch attraktiver werden. Dabei sind Wagen, Schienen und Stationen nur die technischen Rahmenbedingungen für eine Faszination, die sich vielleicht am besten in der Adventszeit zeigt.
Jedes Jahr, Anfang Dezember, erwachen die Bergischen Museumsbahnen noch einmal aus ihrem "Winterschlaf", um zu den traditionellen "Nikolausfahrten" zu starten. Am Samstag, 2., sowie Sonntag, 3. Dezember, ist es erneut so weit. Dann erwartet der Nikolaus Kinder und Eltern irgendwo an der Strecke im Kaltenbachtal - und wie in jedem Jahr dürften auch diesmal, wenn die Räder auf den Schienen quietschen, wieder viele junge Straßenbahnfans ganz neu mit dem Virus infiziert werden.