Remscheid Flucht - zwei Generationen, ein Schicksal

Remscheid · Das Westdeutsche Tourneetheater zeigt die Ausstellung "Lebensläufer", die Sprachlosigkeit überwinden helfen will.

 Über die gemeinsamen Flüchtlingserfahrungen wollen Dominik Breuer und Eric Rentmeier mit ihrem Projekt "Lebensläufer" alte und junge Flüchtlinge ins Gespräch bringen.

Über die gemeinsamen Flüchtlingserfahrungen wollen Dominik Breuer und Eric Rentmeier mit ihrem Projekt "Lebensläufer" alte und junge Flüchtlinge ins Gespräch bringen.

Foto: Jürgen Moll

Die grausam-schmerzliche Erfahrung von Flucht und Vertreibung haben viele Deutsche erlitten, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten. Flucht aus der Deutschen Demokratischen Republik in den "gelobten Westen" bildete auch kein Einzelschicksal. Heutige Rentner könnten eigentlich gut nachempfinden, wie es sich anfühlt, ein Flüchtling im Westen zu sein. Diese "gute Ausgangslage" wollten zwei Schauspieler des Künstlernetzwecks Brachland, Dominik Breuer und Eric Rentmeier, nutzen, um Brieffreundschaften zwischen "jungen" und "alten" Flüchtlingen zu stiften. "Lebensläufer" heißt ihr gefördertes Projekt. In zwei Wochen präsentieren die beiden Künstler ihre Ergebnisse in einer Ausstellung im Westdeutschen Tourneetheater, das zu den Unterstützern dieser Initiative zählt.

Das zunächst größte Hindernis, um das Projekt ans Laufen zu bringen, war die Kontaktaufnahme zu den "Mitspielern". Wo leben noch Flüchtlinge der älteren Generation? Wie erreicht man aktuelle Flüchtlinge, die einen Brieffreund in Deutschland haben wollen? Unendlich viele Mails haben Breuer und Rentmeister an unendlich viele Adressen von Vertriebenen-Verbänden geschickt - und nur selten eine Reaktion erhalten. Auch mit Flüchtlingen in ein Gespräch zu kommen, stellte sich als mühsame Arbeit heraus. Die Caritas in Leverkusen half bei der Vermittlung.

Sieben Briefkontakte gibt es aktuell zwischen den "Lebensläufern". Der Austausch zwischen Jung und Alt funktioniert per Post. Er wird zunächst über Dritte hergestellt. Übersetzer sorgen für die Verständigung, solange keine ausreichenden Deutschkenntnisse bestehen. Der Brief an die jungen Flüchtlinge trägt sogar ein eigener Postbote in Leverkusen aus. "Das ist ein besonderer Moment, wenn ein Flüchtlingskind diesen Brief persönlich übergeben bekommt", sagt Breuer.

Bei der Suche nach älteren Flüchtlingen stieß Breuer auf eine Mauer aus Ressentiments. Einmal erhielt er einen Anruf, indem ein älterer Herr ihm deutlich mitteilte, er wolle nicht mit ihm reden. Breuer meint hinter diesen Ablehnungen eine große Portion an Verbitterung zu spüren. Verbitterung darüber, dass die Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg nicht diese Hilfe erhalten haben, die heute Asylsuchenden in Deutschland zuteil wird. "Um uns hat sich keiner gekümmert", heißt es oft. Diese Generation empfinde einen Mangel an Wertschätzung von der Gesellschaft für die eigene Geschichte, sagt Breuer.

Die Ausstellung im WTT bietet einen Rundgang mit mehreren Stationen: Es gibt ein deutsches und ein arabisches Wohnzimmer, ein Original-Etagenbett Marke Doppelasyl, Schränke mit Personalakten, die das gesamte Projekt dokumentieren. Und eine Schreibstation, um eigene Gedanken zu formulieren. "Lebensläufer" sucht weiter Brieffreunde. "Wir wollen, dass sich der Virus ausbreitet", sagt Breuer.

Die Ausstellung "Lebensläufer" wird am Mittwoch, 1. März, um 18 Uhr mit einer szenischen Lesung im Westdeutschen Tournee Theater, Bismarkstraße 136, eröffnet. Sie ist dort eine Woche zwischen 11 Uhr und 19 Uhr zu sehen.

(RP)
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