Remscheid Geschichte(n) hinter dicken Mauern

Remscheid · Remscheid hat ein verstecktes Kuriosum mit nostalgischem Flair: den Kinobunker in Honsberg. Ein Museumsverein hält diesen Ort und die Erinnerungen lebendig - zum Beispiel an den Tag, als der dort trainierende Boxerclub Max Schmeling zu Gast hatte.

 Vereinsvorsitzender Markus Bertram nahm fürs Foto im Klassenraum von 1944 Platz. Schwesterntrachten und medizinische Utensilien von einst sind im Bunker anschaulich präsentiert.

Vereinsvorsitzender Markus Bertram nahm fürs Foto im Klassenraum von 1944 Platz. Schwesterntrachten und medizinische Utensilien von einst sind im Bunker anschaulich präsentiert.

Foto: Moll Jürgen

Im Hintergrund läuft Filmmusik aus den 50er Jahren. Die typische Tütenlampe an der Decke erleuchtet das Entree, in dem ein Poster des Films "Vom Winde verweht" hängt. Eine alte Kasse, ein Tresen und ein Geschäftsregal im Stil vergangener Tage empfangen die neugierigen Gäste. "Lichtburg" schimmert in Leuchtbuchstraben an der Wand.

 Der Eingangsbereich mit der alten Kasse zeigt den Charme eines Kinos aus den 50er Jahren.

Der Eingangsbereich mit der alten Kasse zeigt den Charme eines Kinos aus den 50er Jahren.

Foto: Moll Jürgen

Fast könnte man meinen, den Duft von frischem Popcorn zu riechen, aber nur fast. Denn die Tage als Kino liegen schon über ein halbes Jahrhundert zurück.

Dass die Geschichte aber heute noch so lebendig ist, dafür sorgt der engagierte Museumsverein Kinobunker Remscheid. Seit 2009 kümmern sich Historienfans aus Wuppertal, Wermelskirchen oder Hückeswagen um den Erhalt des ehemaligen Luftschutzbunkers. Bis zu 1500 Arbeitsstunden jährlich stecken die rund 15 Mitglieder in die liebevolle Aufarbeitung der Geschichte des denkmalgeschützten Gebäudes, das bereits in den 30er Jahren mit einer Doppelnutzung vom Architekten geplant wurde. Aufgrund dieses Konzeptes, der ungewöhnlichen Bauweise am Hang und der Tatsache, dass er nie wirklich fertig wurde, macht den Bunker einmalig und erhaltenswert.

 Zeitunglesen auf dem stillen Örtchen, das selbstverständlich auch zur damaligen Ausstattung dazu gehörte.

Zeitunglesen auf dem stillen Örtchen, das selbstverständlich auch zur damaligen Ausstattung dazu gehörte.

Foto: Moll Jürgen

Bei der Renovierung des alten Schätzchens stoßen die Vereinsmitglieder regelmäßig auf Spuren der Vergangenheit. So wie etwa auf dem Schriftzug "Zum Bunkerverwalter", der in den Keller weist. Oder etwa auf die drei Streifen an der Wand entlang zur Empore, die beim Entfernen der weißen Farbe wieder zum Vorschein kamen. Der rote Boden auf der Empore schimmerte neben den Holzklötzchen durch, an denen die Kinositze befestigt waren und erzählt von den Zeiten, als Kino noch etwas ganz Besonderes für die Menschen war. "Das ist für uns bei all der Arbeit auch Spaß, weil es archäologische Arbeit ist", erklärt Markus Bertram, Vorsitzender des Vereins.

Sein Wissen über den Bunker und die Nutzung sind scheinbar unbegrenzt. Als hätte er es selbst erlebt, erzählt er kleinere Anekdoten, die er von Teilnehmern der Führung erfahren hat - zum Beispiel von der Tochter des früheren Bunkerverwalters. Davon lebt die Ausstellung, die kontinuierlich ausgebaut wird.

Viele Details, wie die Abkürzung "L.S. 41" auf den Klappsitzen, die die Vereinsmitglieder wieder montiert haben, sind Zeitzeugen. Anhand von Nachlässen, Leihgaben anderer Museen oder zusammengetragenen Teilen aus anderen Bunkern der Region reist der Besucher zurück in die Zeit, als am Honsberg Bomben im Zweiten Weltkrieg zum Alltag gehörten. Wofür er aber noch genutzt wurde, dürfte manche überraschen. Neben der Funktion als Schutz vor Bombenangriffen und den Zeiten als Lichtspielhaus bis 1960 war der Bunker auch Heimat für den Boxsport. Einmal im Monat duellierten sich hier die besten Boxer. Max Schmeling war sogar einmal zu Gast.

Als Schule und Varieté wurde das Bauwerk ebenfalls genutzt. Bevor ein Museum daraus entstand, diente er als Möbellager für Bedürftige für die Arbeit Remscheid.

Dass Anfang der 40er Jahre wohl bis zu 2000 Menschen in dem Gebäude jeden Abend Schutz suchten, mag man sich heute nur noch schwer vorstellen. Aber auch davon erzählt die Ausstellung eindrücklich. Nicht nur anhand von Uniformen oder den Munitionskästen der Flugabwehrkanonen, die auf dem Dach des Bunkers standen. Bedrückend und eng wirkt es in dem spärlich beleuchteten Raum im Keller, der unter anderem auch Schutzanzüge für Säuglinge und Kinder vor einem Gasangriff zeigt.

"Es ist faszinierend, was für ein Perfektionismus an den Tag gelegt wurde", merkt Thomas Knierem an. Der Herdecker engagiert sich erst seit rund sechs Wochen für den Kinobunker, ist aber bereits Feuer und Flamme für das Objekt und seine Vergangenheit.

(RP)
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