Kommentar Grexit - gebt das Geld lieber den Kommunen

Remscheid · Wir stellen uns vor: Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz hat die Faxen dicke. Realistisch betrachtet könne der erdrückende Schuldenberg der Stadt von mehr als 600 Millionen Euro allein an Kassenkrediten in absehbarer Zeit niemals abgetragen werden, argumentiert er öffentlich.

Kommentar: Grexit - gebt das Geld lieber den Kommunen
Foto: Andreas Krebs

Schuld daran sei aber nicht die Stadt Remscheid, sondern allein der Bund, das Land und das internationale Finanzkapital, das Remscheid einfach zu viel Geld geliehen habe. Seinen Stadtkämmerer Sven Wiertz schickt Mast-Weisz immer wieder nach Düsseldorf und Berlin, um dort unmissverständlich klar zu machen, dass die Werkzeugstadt einen vollständigen Schuldenschnitt verlangt und zu geforderten Sparanstrengungen nicht bereit sei. Schließlich beschimpft Wiertz die Bundes- und die Landesregierung als "Terroristen", die die Remscheider nur ausbluten lassen wollen. Am Ende beschließen Mast-Weisz und Wiertz, dass es doch sinnvoll sein könnte, die Remscheider selbst abstimmen zu lassen, ob sie weiter sparen wollen oder nicht.

Schnitt! - "Unvorstellbar", sagen Sie. Sie haben Recht. Doch ist es nicht genau das, was die griechische Regierung derzeit praktiziert, offenbar unter breiter Zustimmung des griechischen Volkes?

Zumindest die Remscheider Linken finden das gut, mehr noch, sie bekunden rückhaltlose Solidarität mit ihrer linken "Schwesterpartei". Das liest sich so: "Das Referendum ist eine demokratische Antwort der Regierung Tsipras auf die Erpressungspolitik der Institutionen." Remscheids Fraktionschef der Linken, Fritz Beinersdorf, geht noch weiter. Er attackiert Kanzlerin Angela Merkel persönlich und spricht von einem "neoliberalen Diktat" Deutschlands und der europäischen Institutionen. Fazit: Schuld am griechischen Drama ist Europa, vor allem die Deutschen. Ein typisches Beispiel für die fortgeschrittene ideologische Verblendung der Linkspartei.

Zurück zu den Fakten: Nach Berechnungen des Ifo-Institutes müsste Deutschland im schlimmsten Fall heute schon mit einem Anteil von alles inklusive 90 Milliarden Euro für griechische Schulden einstehen. Entschließt sich die Eurogruppe weiteres Geld hinterherzuwerfen, können es schnell mehr werden. Zum Vergleich: Der Gesamtschuldenstand aller Kommunen in Deutschland beträgt 172 Milliarden Euro (Stand 2013). Mit den 90 Milliarden Euro, die uns Griechenland schuldet, und von denen nur ausgeprägte Optimisten annehmen, das wir sie je zurückbekommen, könnte der Bund auf einen Schlag mehr als die Hälfte aller Kommunen komplett entschulden. "Unvorstellbar", sagen Sie. Sie haben leider Recht.

Der menschliche Aspekt des griechischen Dramas ist sicher bemitleidenswert. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Griechen haben es weitgehend selbst herbeigeführt, und sicher nicht nur die Reichen unter ihnen. Die hoch verschuldeten Kommunen, darunter auch Remscheid, verdienen mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit der Politik und der Öffentlichkeit. Denn anders als die Griechen versuchen Oberbürgermeister Mast-Weisz, Kämmerer Wiertz und ihre Mitstreiter durch Anstrengung und Sparsamkeit, und eben nicht durch Uneinsichtigkeit und Flegelhaftigkeit aus ihren Schulden herauszukommen. Insofern könnte der Grexit mit all seinen schlimmen Folgen aus Sicht des Remscheider Steuerbürgers ein bitteres, aber wünschenswertes Ende mit Schrecken sein.

(RP)
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