Remscheid Herz des Fabrikantensohns schlägt links

Remscheid · Es ist besser, Bilder von Gerd Arntz zu zeigen, als keine zu zeigen. In diesem Sinne haben sich die neuen Räume am Markt bewährt. Als ein angemessener Ort für Bildende Kunst sind die neuen Räume jedoch nicht geeignet.

 Werke von Gerd Arntz dekorieren inzwischen das Seniorenbüro am Markt 13.

Werke von Gerd Arntz dekorieren inzwischen das Seniorenbüro am Markt 13.

Foto: Moll

Gerd Arntz gehört zu den Künstlern, die mit ihren Bildern eine politische Haltung ausdrücken. Wie hellsichtig der Remscheider die Herrschaft der Nationalsozialisten analysierte, zeigt der Druck "Das Dritte Reich", der zu den Bildern in der Ausstellung am Markt gehört. Arntz ordnet die Machtstrukturen im Jahre 1934 hierarchisch an. Hitler und seine Schergen ganz oben, der Kapitalist, der mit dem Fuß eine Granate in die Kanonen schiebt in der Mitte, und die Arbeiter, die in der Munitionsfabrik schuften, unten. Die Schreckensherrschaft der braunen Terroristen sieht er auch voraus. Stacheldraht und ein blutiges Beil integriert er in dieses Bild. 1934 zeigte eine Ausstellung in Amsterdam diese Arbeit. Doch auf Druck der deutschen Botschaft musste das Bild entfernt werden. Die Wahrheit der Kunst erschient den Machthabern zu gefährlich - und die Holländer sind eingeknickt. Die Kunst von Gerd Arntz ist unmissverständlich. So wie die Stücke von Bertold Brecht unter einer legosteinhaften Weltsicht leiden, so scheint die Perspektive von Arntz heute als recht simpel und zu vereinfachend. Aber die Vereinfachung gehörte zu seinem Beruf.

Es ist besser, Bilder von Arntz zu zeigen, als keine zu zeigen. In diesem Sinne haben sich die neuen Räume am Markt bewährt. Die Alibi-Hängung im Stadtarchiv war ja ein Witz. Als ein Ort für Bildende Kunst scheinen die Räume am Markt 13 jedoch wenig geeignet. Der dominierende Eindruck: Dort werden Arbeitsräume dekoriert. Künstler wie Arntz haben in Remscheid bessere Ausstellungen verdient. Die Lücke, die durch die Schließung der Galerie an der Scharffstraße gerissen wurde, wird dadurch noch schmerzlicher bewusst.

Besuchern erzählte der alte Gerd Arntz (1900 - 1988) gerne eine Geschichte aus seiner Jugend in Remscheid. Als Sohn eines Fabrikanten spielte er, was nicht selbstverständlich war, mit Arbeiterkindern. Alle Jungs trugen Kappen wie ihre Väter, damals zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Auch der junge Gerd besaß eine dieser Schirmmützen. Wenn es regnete, setzte der Fabrikantensohn die Kappe auf, um nicht nass zu werden. Im Gegensatz zu seinen Spielkameraden. Die nahmen sie bei schlechtem Wetter ab, um die wertvolle Kopfbedeckung zu schützen. Ein prägnantes Beispiel für den sozialen Unterschied.

Gerd Arntz gehört neben Teo Otto sicherlich zu den bedeutenden in Remscheid geborenen Künstlern. Das großbürgerliche Haus an der Cleffstraße war das Geburtshaus seiner Mutter, das später zum Remscheider Heimatmuseum umgebaut wurde. Die Arbeiterkappe taucht häufig im grafischen Werk von Gerd Arntz auf, dessen Herz politisch eindeutig links schlug.

Die Industrialisierung hatte auch im Bergischen Land zu scharfen Spannungsverhältnissen geführt - und Arntz war ihr Beobachter und Kritiker. Seine Ikonographien der miserablen Zustände bestechen durch ihre Klarheit, wie in dem Druck "Arbeitslose" zu erkennen ist. Seine Weltsicht hatte noch ein Oben und ein Unten. Oben wohnten die reichen Bonzen mit ihren eleganten Frauen und Huren und schmissen das Geld zum Fenster heraus. Unten hauste die anonyme Masse der Arbeiterklasse, bedrohlich vom Militär bewacht.

Arntz hat seine Wahrnehmung der sozialen Verhältnisse durch intensive Lektüre über die gesellschaftlichen Entwicklungen abgesichert. Darüber gibt zum Beispiel die Arntz-Bibliothek Auskunft, die sich das Historische Zentrum vor Jahren gesichert hat. Verständlich zu sein für Gelehrte und Analphabeten - das war der Anspruch, den Arntz auch an seine Kunst stellte. Seine symbolhaften Vereinfachungen entwickelten eine eigene Bildsprache, die avantgardistisch für seine Zeit war.

In der Sammlung des von der Heydt-Museums gibt es eines seiner wenigen farbigen Gemälde. Die Sammlung ordnet ihn zwischen neuer Sachlichkeit und Expressionismus ein. Sein Handwerk als Künstler konnte Arntz auch als grafischer Leiter des Wiener Instituts einsetzen. Er fertigte dort Bildstatistiken an, die die sozialen Zustände auf den Punkt bringen sollten. Von der Wechselwirkung zwischen Beruf und Künstlertum erfährt der Besucher der Ausstellung nichts. Während vor einigen Jahren Gerd Arntz für die Kunsthistoriker interessant war, sind es inzwischen auch Designer, die sich für seine Formensprache interessieren. Ein niederländisches Designbüro hat ein Memory als Anwendung fürs iPhone herausgebracht, die dem Grafiker Gerd Arntz gewidmet ist.

Bis zum 20. März hängen die Werke in der Galerie am Markt 13.

(RP)
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