Remscheid Im Knast weht ein anderer Wind

Remscheid · Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Lüttringhausen führen ihr eigenes Stück "Am Arsch die Räuber - halber Mensch" auf. Im Publikum saß auch NRW-Justizminister Peter Biesenbach. Die Szenen haben Gefangene selbst geschrieben.

 Zwei Knastis warten auf den neuen Zellengenossen. Szene aus dem Stück "Am Arsch die Räuber - halber Mensch."

Zwei Knastis warten auf den neuen Zellengenossen. Szene aus dem Stück "Am Arsch die Räuber - halber Mensch."

Foto: Christian Peiseler

Es ist wohl ein Hip-Hop-Song, der ganz oben auf der Playlist der Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt in Lüttringhausen steht. Verszeilen wie "Gib nicht auf", "Bald wird es Richtung Freiheit gehen" oder "Ich hol dich daraus" erklingen mit fetten Beats und sehnsuchtsvoller Stimme unterlegt. Sie bringen das schmerzliche Lebensgefühl zum Ausdruck, wenn sich abends die Türen schließen, man in seiner Zelle sitzt, mit Leuten, die man sich nicht ausgesucht hat. "Am Arsch die Räuber - halber Mensch". Der Titel des neuen Stücks der hauseigenen Theatergruppe spitzt die Wirklichkeit hinter Mauern zu.

Nur ausgesuchte Gäste sahen gestern Nachmittag die Vorführung, für die über ein Jahr lang geprobt wurde. Angehörige, Freunde und Personal der Anstalt. Zu den besonderen Gästen neben Anstaltsleiterin Katja Grafweg zählte Nordrhein-Westfalens neuer Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Als Anwalt hatte er Mandanten in der Haftanstalt besucht. Das vergitterte Terrain ist ihm nicht fremd. Als Minister wollte er sich ein Bild davon machen, wie sich mit Hilfe des Theaterspiels die Wirklichkeit der Gefangenen widerspiegeln lässt. "Die Gefangenen können anderen ihr Werk zeigen. Dafür bekommen sie Anerkennung, die sie sonst selten bekommen", sagt Biesenbach. Auch in der Unfreiheit ist die Freiheit der Kreativität noch vorhanden.

Fast alle Szenen, die in dem fast 90 Minuten dauernden Stück zu sehen waren, wurzeln in einem Erlebnis der Akteure. "Die Szenen haben die Häftlinge selbst geschrieben und entwickelt", sagt Jan Schulte, der Regisseur. Einmal die Woche war Probe. Eine willkommene Abwechslung im grauen Gefängnisalltag. Sechs Häftlinge spielen die Szenen, zwei Ehrenamtliche gehören zur Schauspielgruppe dazu.

Dieses Theaterstück verfügt über viel Humor. Die Szenen drehen in die Satire ab und taumeln am schwarzen Abgrund, der sich immer wieder vor den Häftlingen auftut. Es geht um Drogen, Drogen, Drogen. Und ums Wachpersonal, das immer wieder zur unrechten Zeit in der Zelle erscheint. Die Sprache ist dem Alltag hinter Gittern abgelauscht. Direkt, grob, aggressiv, bedrohlich, zynisch, sarkastisch. Der Neuling in der Zelle, Häftling Knebel, muss als erstes die Kloschüssel mit der Zahnbürste schrubben, bis unter den Rand. Das morgendliche Duschen ist nichts für Weicheier. Mit oder ohne Spucke - das ist hier die Frage. Die Drastik wird in Komik eingekleidet. Pointen ernten viele Lacher im Publikum.

Dazu zählt auch die Szene, in der Uli Hoeneß bei der Anstaltsärztin erscheint. Er hatte sich beim Zählen der Geldscheine in den Finger geschnitten und bekommt daraufhin von der jungen Ärztin eine Sonderbehandlung, von der die Mithäftlinge nur träumen konnten. "Gib nicht auf", heißt es im Anfangssong. Das Theaterspiel zeigte sich als ein Stärkungsmittel, damit Gefangene nicht den Mut verlieren.

(RP)
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