Remscheid Is was DOC? – Jens Neutag blickt zurück

Remscheid · Der Kabarettist aus Remscheid hat sich so seine Gedanken über das zuende gehende Jahr gemacht.

 Der Kabarettist Jens Neutag in Lennep. Regelmäßig tritt er auch im Rotationstheater auf.

Der Kabarettist Jens Neutag in Lennep. Regelmäßig tritt er auch im Rotationstheater auf.

Foto: Jürgen Moll

Is was DOC? - Das war 2013. Wo die Wälder noch rauschen, die Nachtigall singt, die Berge hoch ragen, der Amboss erklingt.

Geschafft. 2013 ist auch rum. Und von Reinshagen bis zum Feldbachtal, von Klausen bis ins Eschbachtal werden Feuerwerkskörper gezündet. Und während man früher wusste, man sichert beim zweckfreien Abbrennen von Krachern und Leuchtraketen immerhin noch den Arbeitsplatz des Nachbarn bei Moog, ist das im globalisierten Remscheid so genau nicht mehr zu analysieren. Geknallt wird trotzdem viel und bunt, besonders da, wo man Bargeld für Böller niemals vermutet, aber vielleicht geht das Abbrennen von Häusern am Kremenholl gar als Stadtteilverschönerung durch.

2014 kann also kommen. Zeit sich ein letztes Mal das Jahr 2013 mit bergischer Brille zu Gemüte zu führen. Vorab: Ja, es gibt auch gute Nachrichten. Sogar ausschließlich! Oberbürgermeisterin Beate Wilding tritt nicht ein weiteres Mal bei der Kommunalwahl an. Nachdem sie jahrelang den Beweis angetreten hatte, dass man auch unbelastet von Sachkenntnis und Detailwissen, quasi als bergische Laienpredigerin die Geschicke einer Stadt leiten kann, ist nun Zeit für einen Neuanfang. Es soll bereits Bürger geben, die versuchen, die Enkel von Wilhelm Hartkopf für lokalpolitische Ämter zu gewinnen, in der Hoffnung, er habe ihnen in stillen Stunden heimlich verraten, wie man mit einer gewissen Würde dieses Amt ausfüllen kann. Gerüchte eben.

Ebenfalls sehr positiv ist die nach wie vor andauernde Sperrung der Müngstener Brücke. Neben aktiver Lärmeindämmung für den Remscheider Westen, ergibt sich dadurch ein großer Standortvorteil. Solingen bleibt verkehrstechnisch isoliert. Alleine die Aussicht, beim samstäglichen Shoppen im Allee-Center keinem Solinger zu begegnen, steigert die Lebensqualität der Stadt ins Unermessliche.

Bei einer klammen Kommune wird natürlich auch viel gestrichen. Neben Etats und Zuschüssen aber auch weiterhin erstaunlicherweise sogar die Geigen im Orchester. Denn die Finanzierung der Bergischen Symphoniker scheint vorerst gesichert. Woher der Mut kam, sich zu einer solchen Institution der Hochkultur zu bekennen, bleibt unklar. Gerüchten zu Folge besteht eine Hoffnung im Rat, mit dem Spielplan der Symphoniker Geld sparen zu wollen. Man spielt in Zukunft ausschließlich die Dreigroschenoper. Das sind umgerechnet schließlich auch nur 15 Cent. Gerüchte eben.

Und dann natürlich das Highlight, die Zukunft, die wirtschaftliche Erlösung der darbenden Stadt. Das hat der Rat 2013 beschlossen: Das Designer Outlet kommt! Vielmehr, es landet. Direkt im Röntgenstadion und ergießt seine Hoffnung auch über den kompletten Kirmesplatz. Die Einnahmen für den Verkauf der beiden Grundstücke: 15 Millionen Euro. Dafür hat sich der Bischoff von Limburg unlängst zwei Badewannenstöpsel gekauft. Damit der FC Remscheid aber weiterhin eine Heimtstatt hat, wo er mit unterklassigem Amateurfußball ein Häuflein regungsloser Zuschauer beim Bratwurstessen stören kann, wird der Bolzplatz am Hackenberg für 14 Millionen umgebaut. Planungsstand natürlich.

Wer in letzter Zeit öffentliche Bauprojekte verfolgt hat, ahnt, da kann noch was drauf kommen. Wenn man zum Beispiel völlig überraschend merkt, dass die installierten Klos auch Fließwasser für die Spülung brauchen. Wer das Ganze für ein Minusgeschäft hält, verkennt die Weisheit, die in dieser haushaltspolitischen Entscheidung steckt. Statt mit den 15 Millionen dringend notwendige Schulsanierungen durchzuführen, haut man es gleich wieder raus. Das erspart lästige Diskussionen, wer was bekommt, und beweist letztendlich auch nur §1 des Bergischen Grundgesetzes: Watt fott is is fott. Und natürlich macht ein Designer Outlet in Lennep Sinn. Auf jeden Fall! Gerade in Lennep. Da kann die kaufkräftige Zielgruppe gleich mit dem Taxi vom Lenneper Hof vorfahren und sich täglich mit Boss und Gucci-Klamotten in Millionenhöhe eindecken. Ob man nun für das DOC ist oder dagegen, ist eigentlich wie bei allen fundamentalistischen Religionen: Man muss vor allem fest daran glauben.

Henning Balzer, der bei McArthurGlen verantwortlich ist für das DOC, erwartet sogar, "dass das DOC nicht nur Kunden aus der Region, sondern auch nationale und internationale Touristen nach Remscheid bringen werde." Ich sehe sie schon vor mir, die Massen von asiatischen Touristen, die auf dem Segelflugplatz in Radevormwald landen, um mal kurz zum Shoppen in Lennep aufzuschlagen. Kann man nur hoffen, dass es im DOC auch eine Apotheke gibt, Herr Balzer gehört medikamentös grundlegend neu eingestellt.

Was bleibt? Die Erkenntnis, dass man spätestens am 31.12.2013 das Bergische Heimatlied den neuen Realitäten anpassen sollte. Denn die Wälder rauschen wohl noch und die Berge sind hoch. Aber die Nachtigall singt nicht mehr. Nicht einmal im Parkhaus des Designer Outlets. Und den Amboss hört man nur klingen, wenn er einem vorher auf den Kopf gefallen ist.

PROST NEUJAHR!

(RP)
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