Remscheid Klassenraum als Familien-Schlafzimmer

Remscheid · 151 Flüchtlinge leben seit einer Woche übergangsweise in der Pestalozzi-Schule, darunter viele Familien. Einige Frauen sind hochschwanger. Betreuer erfahren von entsetzlichen Einzelschicksalen.

Remscheid: Klassenraum als Familien-Schlafzimmer
Foto: Hertgen, Nico (hn-)

Seit einer Woche leben 151 Menschen in dem binnen 24 Stunden zur Notunterkunft umfunktionierten Schulgebäude in der Leverkuser Straße. Die Abläufe zur Versorgung der Flüchtlinge haben sich eingespielt. "Es läuft alles recht entspannt", berichtet Daniela Krein, Geschäftsführerin des Betreuungsvereins BAF.

Weil unter den Asylsuchenden viele Familien sind, wurden sie gemeinsam in den zu Schlafzimmern umgestalteten Klassenräumen untergebracht. "Dass hier und da weitere Einzelpersonen hinzukommen, ließ sich nicht anders machen", sagte Daniela Krein. Überwiegend sind es junge Leute, die aus den verschiedenen Krisenregionen dieser Welt nach Deutschland geflohen sind.

90 Prozent der Flüchtlinge sind jünger als 30 Jahre. Zehn Kinder sind unter drei Jahre alt, 40 unter 18-Jährige leben weiterhin in der Unterkunft. Einige Frauen sind hochschwanger. Zumindest bei einer könne kurzfristig mit der Niederkunft gerechnet werden. "Diese Frauen werden medizinisch besonders betreut und überwacht", erzählt die BAF-Geschäftsführerin.

Zum Teil, so hat Stadtkämmerer Sven Wiertz erfahren, haben die Menschen Entsetzliches mitgemacht. Eine junge Frau sei auf der Flucht in Libyen vergewaltigt worden und nun im siebten oder achten Monat schwanger. "Sie war der Meinung, dass ein Schwangerschaftsabbruch noch möglich ist", erklärt der Dezernent. Dass dies nun laut Gesetz nicht mehr geht, habe die Frau zusätzlich schwer traumatisiert. Die Betreuer stellen nun einen Kontakt zur Beratungsstelle pro familia her, damit man ihr zumindest eine Perspektive aufzeigen kann.

Weil er die in Urlaub weilende Rechtsdezernentin Barbara Reul-Nocke vertritt, hält Sven Wiertz den Kontakt zur zuständigen Bezirksregierung in Arnsberg. Dort hat er die Bitte vorgebracht, dass Remscheid so lange aus der Zuweisung neuer Flüchtlinge herausgenommen wird, wie die Notaufnahme besteht. Nach derzeitigem Stand geht die Stadt davon aus, dass die Menschen nach drei Wochen auf andere Standorte verteilt werden.

Davon, dass der Aufenthalt in Remscheid verlängert werde, habe man zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nichts gehört. Und da in der vergangenen Woche nicht alle Kreisstädte von der kurzfristigen Zuteilung betroffen gewesen sind, glaubt Wiertz auch nicht, dass Remscheid in Kürze noch einmal eine solche Aufnahme stemmen muss. Generell wünscht er sich allerdings, dass die Kommunikation zwischen Bund, Länder und Kommunen besser funktioniert. "Für manche Dinge gibt es keine bundesweit geltenden Standards. Das betrifft in Teilen auch die Datenerhebung. Und dann muss man als Stadt schauen, wie man die Sachen regelt."

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Foto: dpa, jst fdt

Was mit den Menschen geschieht, die aus verschiedenen Ländern der Balkanregion geflohen sind, vermochte Wiertz nicht zu sagen. Auch dies hänge am Verfahren des zuständigen Bundesamtes, das künftig schneller über die Asylanträge entscheiden soll. Ein Teil der Staaten wird als sichere Herkunftsländer eingestuft, so dass der Antrag auf Asyl wenig Chancen hat, anerkannt zu werden.

Alle Kosten, die der Stadt durch die Unterbringung entstehen, werden mit Belegen erfasst, ausgewertet und dann zur Erstattung an die Bezirksregierung Arnsberg übermittelt. Der städtische Haushalt wird demnach nicht belastet.

(RP)
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