Remscheid Landgericht - Zeuginnen scheuen Aussage

Remscheid · Der Prozess um den Pfarrer, der Schülerinnen sexuell missbraucht haben soll, ging gestern weiter.

Das Verfahren vor dem Landgericht Wuppertal gegen einen Pfarrer, dem die Anklage in zweiter Instanz sexuellen Missbrauch zweier zur Tatzeit elfjährigen Schülerinnen vorwirft, kam am zweiten Verhandlungstag zeitlich mächtig ins Schlingern. Muss der Angeklagte während der Aussage der beiden Geschädigten den Gerichtssaal verlassen? Das jedenfalls forderte die Vertreterin der Nebenklage und der Staatsanwalt. Die Verteidigung widersprach.

Das Gericht lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass dafür keine stichhaltigen Gründe vorliegen. Die Gegenwart eines Angeklagten während der Verhandlung sei ein höchst schützenswertes Gut. Offensichtlich (die Öffentlichkeit war ja nicht dabei) waren aber die Mädchen nicht in der Lage, eine Aussage in Gegenwart des Angeklagten zu machen. Auch wenn ihnen ihre Eltern durch ihre Anwesenheit Rückendeckung gaben. Das hatte sich bei der Aussage eines der Mädchen am vorherigen Verhandlungstag gezeigt.

Nunmehr stürmte auch die ältere der beiden, mittlerweile 15 Jahre alt, unter Tränen aus dem Gerichtssaal, der Vater eilends hinterher. "So kann ich nicht aussagen", schluchzte das Mädchen.

Was tun? Die Verteidigung bestand auf die Gegenwart ihres Mandanten. Vielleicht könnten dadurch die Zeuginnen "am Lügen gehindert werden", argumentierte ein Anwalt. Der Staatsanwalt widersprach heftigst. Die auffallende Mimik des Angeklagten ("Grinsen") in Gegenwart der Mädchen verunsichere die Schülerinnen. In keiner Weise habe der Angeklagte versucht, auf die Mädchen während ihrer Aussage einzuwirken, sagte hingegen die Verteidigung.

Das Gericht zog sich zu einer "zehnminütigen Beratung" zurück. Daraus wurde eine Dreiviertelstunde. Danach versuchte der Vorsitzende, mit den Eltern des Mädchens eine Lösung zu finden. Das Mädchen empfinde in Gegenwart des Angeklagten Übelkeit und Bauchschmerzen, berichtete er anschließend.

Der Kompromiss schließlich: Das Mädchen sagte aus, während der Angeklagte hinten im Zuschauerraum Platz nahm. Ihm wurde verboten, sich dabei zu räuspern oder sogar zu äußern. Die Zeugin konnte ihn nicht sehen. Zudem wurde sie beidseitig von ihrer Mutter und ihrer anwaltlichen Vertreterin eskortiert. Alle an diesem Tag noch vernommenen Zeugen - Eltern und ehemalige Mitschüler - konnten zum direkten Vorwurf, der Angeklagte habe die Mädchen am Gesäß in sexueller Absicht angefasst, nichts aussagen. Sie hatten es lediglich aus zweiter Hand erfahren.

Die von der Verteidigung aufgebotenen Zeugen stellten dem Angeklagten ohne jegliche Einschränkung einen tadellosen Leumund aus. Beide Zeugen, ein Pfarrer und eine ehemalige Konfirmandin, sind Freunde des Angeklagten.

Der Vorsitzende kündigte an, dass zwei weitere Verhandlungstage folgen werden.

(RP)
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