Remscheid Liszts Klangskulpturen voll schroffer Schönheit

Remscheid · Anspruchsvoll war das Programm: ein Sonntagnachmittag mit Musik nur von Franz Liszt. Die junge, mit vielen Preisen ausgezeichnete russische Pianistin Susanna Kadzhoyan, auch Lehrbeauftragte der Musikhochschule Freiburg, hatte mit etwa 80 Besuchern ein nicht ganz so großes Publikum wie sonst die Konzerte der "Weltklassik am Klavier" in der Klosterkirche Lennep. Susanna Kadzhoyan, ausgebildet in Petersburg und Köln, spielte mit tiefer Konzentration, mit grandioser Virtuosität, ohne jegliche Allüren. Die Darbietung der Musik war ein traumhaft zartgliedriges, von Schönheit zu Schönheit der Liszt-Räume gleitendes Hineintauchen in die überwältigende Welt aus Kaskaden, sprühenden Wasserquellen, aus stillen, dunklen, tief spiegelnden Seen, aus stürzenden Abgründen und in die Höhe aufstrebenden Schwerelosigkeiten.

Die Ungarische Rhapsodie Nr. 13 a-Moll eröffnete das Konzert. Susanna Kadzhoyan gibt den Stimmen verschiedene Farben, so dass einzelne Motive kontrastieren, perlende Läufe durchdringen sich. Beim Zuhören werden wir verführt, uns in Landschaften, in sich immer weiter öffnende Täler und Höhen hineinzuträumen. Gerade in den Reiseerinnerungen aus den "Années de Pèlerinage" lässt das differenzierte, träumerische und doch so genau und exakt formulierte Spiel der Pianistin die poetische Phantasie lebendig werden. Erzählerisch ist ihr Spiel, ausmalend, Strukturen erschließend und zugleich die romantische Offenheit zulassend.

Wunderbar der leise erlösende Schluss in der Aida-Paraphrase, in dem das Publikum mit ihr gemeinsam den Atem anhält, um dem langsam verklingenden Ton nachzuhören. Die Tarantelle aus dem Stück "Venezia e Napoli" wird zum mitreißenden Strudel, zur bewegten, in sich immer schneller kreiselnden Klangskulptur. Von "grenzenloser Traurigkeit" sollte, so berichtete Susanna Kadzhoyan von Franz Liszt, die Ballade Nr. 2 h-moll erzählen, ein Stück aus Klage und Bedrohung. Die melancholische Melodie schien im Anfang geradezu von tief grollenden Tönen umhüllt, erhielt jedoch im charakterisierenden Spiel eine suggestive eigene Kraft. Bewundernswert ist der Anschlag, der bei höchster Virtuosität die konsequente feine Durchformung des Spiels beibehält, so dass es nicht wie ein Rausch erklingt, sondern die Klarheit der Kompositionen deutlich wird. Grandios die heftigen Ausbrüche des Zorns, die Zartheit und Trauer. In der langen Konzertetüde "La Leggierezza" entstanden von Lyrik beseelte Bilder, im balladesken Mephisto-Walzer heftig pochende, sich steigernd Rhythmik - auch Ausdruck erotischer Spannung und Lösung. Bravo-Rufe und viel herzlichen Beifall gab es für dieses wundersame Konzert. Mit dem rasanten "Grand galoppe chromatique" nahm die Pianistin Abschied von dem begeisterten Publikum.

(RP)
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