Ralf Engel "Man muss eben miteinander reden"

Remscheid · Ralf Engel ist Geschäftsführer des Handelsverbands Nordrhein-Westfalen. Im Interview spricht er über die Bedeutung von verkaufsoffenen Sonntagen für den Einzelhandel und die Auseinandersetzungen darüber mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

 Ralf Engel ist Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nordrhein-Westfalen und auch für das Bergische Land zuständig.

Ralf Engel ist Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nordrhein-Westfalen und auch für das Bergische Land zuständig.

Foto: Jürgen MOll

Herr Engel, wird es auch künftig verkaufsoffene Sonntage geben?

Ralf Engel Die gesetzliche Ausgangslage ist klar: Wir haben ein Ladenöffnungsgesetz, das verkaufsoffene Sonntag zu bestimmten Voraussetzungen und wegen bestimmter Anlässe zulässt. Das ist nach wie vor so und wird auch auf lange Sicht hinaus die Basis bleiben, auf der verkaufsoffene Sonntage auch künftig stattfinden werden. Ich rechne nicht mit einer kurzfristigen Novellierung dieses Gesetzes und erst recht nicht mit einer völligen Freigabe der Sonntagsregelung. Denn dafür brauchen wir eine Grundgesetzänderung, und die ist für mich nicht absehbar.

Wie kann der Einzelhandelsverband dies unterstützen?

Engel In sogenannten Konsensrunden werden wir auch weiterhin das Gespräch mit allen Beteiligten suchen. Diese kommen aus Politik, Verwaltung, Einzelhandel, Bürgervereinen, Gewerbetreibenden, Interessengemeinschaften und natürlich auch von Verdi. Das haben wir im Bergischen in der Vergangenheit immer so gehandhabt. Da wird je nach Anlass abgestimmt, ob ein verkaufsoffener Sonntag nach dem Gesetz machbar ist oder nicht. Daran führt kein Weg vorbei, zumindest solange nicht, bis es nicht eine entsprechende Änderung der Gesetzeslage gibt. Das ist über Jahre unsere Praxis gewesen. Wenn man aber, wie Anfang April in Lennep geschehen, drei von vier verkaufsoffenen Sonntage genehmigt bekommen hat in einer Konsensrunde, dann damit nicht zufrieden ist und bei der Stadt auf eine entsprechende Rechtsverordnung besteht, dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn Verdi dagegen klagt und auch erfolgreich ist. Das ist in meinen Augen kontraproduktiv gewesen - für alle Beteiligten.

Was ist denn der Hintergrund - warum will die Gewerkschaft ver.di den Kaufsonntagen ans Leder?

Engel Verdi sieht sich als Rechtsschützer. Die Position ist: "Der Sonntagsschutz ist im Grundgesetz verankert. Und solange das so ist, dulden wir auch nicht, dass dagegen verstoßen wird. Zumindest nicht, wenn es nicht eindeutige Anlässe nach dem Ladenöffnungsgesetz dafür gibt." Die Gewerkschaft hat in Velbert im vergangenen Jahr festgestellt, dass weder der Anlass für einen verkaufsoffenen Sonntag gegeben war, noch die Konsensrunden stattgefunden hatten. Das ist dort völlig schiefgelaufen. Dies hat Verdi dann zum Anlass genommen, erfolgreich zu klagen. Dadurch hat die Gewerkschaft Oberwasser bekommen und in weiteren Fällen siegreich geklagt. Ich sehe das so: Wenn man sich zusammensetzt, um miteinander zu reden, und dabei diesen und jenen Sonntag als verkaufsoffen einvernehmlich festlegt, kann man nicht hinterher ankommen und diese Termine mit teils nur einer Woche Vorlauf "kaputtschießen". Das geht nicht.

Wie groß sehen Sie die Chancen, dass die Gewerkschaft erfolgreich sein wird?

Engel Durch die Rechtsstreitigkeiten werden die Hürden für die verkaufsoffenen Sonntage immer höher gelegt. Ein Stadtfest oder ein einfacher Markt reichen ja als Anlass nicht mehr aus. In Lennep beispielsweise hat das angerufene Gericht dem Vernehmen nach bemängelt, dass der verkaufsoffene Sonntag mehr beworben wurde, als der eigentliche Anlass.

Warum sind die Kaufsonntage für den Einzelhandel so wichtig?

Engel Verkaufsoffene Sonntage sind im Einzelhandel ja durchaus umstritten. Es gibt Geschäfte, vornehmlich Fachgeschäfte, die sagen: Das bringt uns nichts. Andere sagen: Die Kaufsonntage sind für uns ganz wichtig als Marketinginstrument, das wir brauchen, weil wir so Kontakt zu unseren Kunden bekommen. Den wiederum brauchen sie, weil sie mit den Werbeetats von Discountern, Ketten und Onlinewarenhäusern nicht mithalten können. Die Zahlen belegen dies: Wenn man sich ansieht, was an Sonntagen in Möbelhäusern los ist, man sieht Massen an Besuchern. Gleiches gilt für die Outlets im benachbarten Ausland. Dafür gibt es offensichtlich ein Bedürfnis, weil Leute das gerne sonntags mit der Familie machen möchten.

Ein Kaufsonntag bedeutet ja eine Sieben-Tage-Woche. Wie sollen die für ihre Entlastung sorgen?

Engel Das Ladenöffnungsgesetz gibt ja außerhalb des Sonntags praktisch alle Möglichkeiten. Vielleicht wäre ein gangbarer Weg, weg von den Sonntagen zu gehen und stattdessen an einem Mittwoch- oder Freitagabend ein Late-Night-Shopping anzubieten. Das wird in vielen Städten ja bereits sehr gut angenommen, weil es auch eine besondere Atmosphäre hat. Wenn es gelingt, darüber Kunden anzusprechen, braucht man auf lange Sicht auch keinen Kaufsonntag mehr. Weg vom Kaufsonntag, hin zum Event - dadurch würden nicht zuletzt die Auseinandersetzungen mit Verdi wegfallen.

Wie viele Kaufsonntage empfehlen Sie für die kleineren Städte?

Engel Das lässt sich schwer sagen. Hückeswagen, Radevormwald und Wermelskirchen haben ja ihre Kaufsonntage immer zu bestimmten Anlässen - das Altstadtfest in Hückeswagen oder die Wermelskirchener Kirmes. Das ist gelebte Tradition. Ob das dann einer, zwei oder drei Sonntage sind, ist egal. Ich persönlich glaube nicht, dass die dortigen Händler mehr Sonntage wollen oder brauchen, um sich als starke Händlerschaft zu präsentieren. Aber das muss jeder selbst entscheiden.

Es gibt Leute, die beklagen die immer weitere Lockerung der Öffnungszeiten - was entgegnen Sie ihnen?

Engel Ein Argument dafür ist der immer weiter steigende Onlinehandel. Dieses Phänomen kann nicht daher rühren, dass die Leute nur von Montag bis Samstag einkaufen - die sitzen auch mit dem Tablet am Sonn- und Feiertagen auf dem Sofa und bestellen. Das gehört für sie zur Freizeitgestaltung. Das kann man nun gut oder schlecht finden - aber es gibt eben offensichtlich ein Bedürfnis. Das gilt aber auch für den stationären Einzelhandel. Das Kaufverhalten hat sich verändert.

Wird es in ländlichen Gegenden 24-Stunden-Supermärkte geben?

Engel Im Fachhandel gibt es ja das geflügelte Wort: "Jeder Händler weiß, wann seine Kunden kommen." Wenn ich ein Geschäft habe und ich weiß, dass meine Kunden gerne nach 20 Uhr kommen, weil sie da Muße zum Stöbern und Einkaufen haben, dann werde ich eben auch bis 22 Uhr öffnen - der Kundenbedarf bestimmt unter der Woche auch die eigene Öffnungszeit.

DAS INTERVIEW FÜHRTE WOLFGANG WEITZDÖRFER.

(RP)
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