Remscheid Medizinisches Kabinett des Verbrechens

Remscheid · Sonderausstellung im Röntgen-Museum arbeitet Verstrickung von Radiologen in Nazi-Untaten auf.

 Die Opfer einer verbrecherischen Medizin im NS-Staat sind zahlreich. Auch Radiologen machten sich schuldig.

Die Opfer einer verbrecherischen Medizin im NS-Staat sind zahlreich. Auch Radiologen machten sich schuldig.

Foto: Röntgenmuseum

Als Ärzte hatten sie geschworen, Menschen zu heilen, Schaden von ihnen zu nehmen, doch taten sie das Gegenteil. Wie es passieren konnte, dass die so hilfreiche Erfindung der Röntgenstrahlen in Zeiten des Nationalsozialismus in ihr Gegenteil verkehrt wurde, das dokumentiert die Sonderausstellung "Radiologie im Nationalsozialismus", die zur Festwoche im Röntgen-Museum eröffnet wird.

 Prof. Ulrich Möder, der Landtagsabgeordnete Sven Wolf, Dr. Uwe Busch und Kulturdezernent Dr. Christian Henkelmann (v.l.) besichtigen die Ausstellung.

Prof. Ulrich Möder, der Landtagsabgeordnete Sven Wolf, Dr. Uwe Busch und Kulturdezernent Dr. Christian Henkelmann (v.l.) besichtigen die Ausstellung.

Foto: Hertgen, Nico (hn-)

Wer waren die Opfer, wer die Täter, und in welcher Weise haben sie sich schuldig gemacht? Mit der Wanderausstellung, die zeitgleich auch in Tel Aviv gezeigt wird, trägt die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) zur späten Aufarbeitung ihrer Geschichte bei. 2010 hatte die Gesellschaft die Heidelberger Medizinhistorikerin Dr. Gabriele Moser mit einem Forschungsprojekt beauftragt, berichtet Prof. Ulrich Mödder. Der frühere Klinikleiter der Radiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf ist Mitglied der Geschichtskommision der DRG. Die Wissenschaftlerin Moser recherchierte unter anderem auch im Archiv des Röntgenmuseums und wertete die Aussagen von Zeitzeugen aus. Der Befund: Radiologen der Gesellschaft haben sich in vielfacher Weise schuldig gemacht - an Patienten, die vor dem Hintergrund des NS-Rassenwahns zwangssterilisiert wurden, aber auch an jüdischen Kollegen, die aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Eine Liste von 148 Namen ist dokumentiert. Einer von ihnen ist Paul Krause. "Ein Mitbegründer des Röntgenmuseums", sagt Museumsleiter Uwe Busch. 1934 nahm er sich aus Verzweiflung das Leben. Eine Remscheider Straße trägt seinen Namen.

Als am 5. Dezember 1933 das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" erlassen wurde, war die rechtliche Grundlage für Verbrechen an etwa 360 000 Menschen geschaffen, die in den zwölf Jahren der Nazi-Diktatur unfruchtbar gemacht wurden. Von ihnen sind rund zwei Prozent durch Strahlenbehandlung kastriert worden. Etwa 150 Radiologen und Strahlentherapeuten waren zur Sterilisierung durch Röntgen- oder Radiumbestrahlung zugelassen. Wer von ihnen und in welchem Umfang davon Gebrauch gemacht hat, ist allerdings kaum noch zu klären.

Einen besonders gravierenden Fall schildert die Ausstellung dennoch: Der Radiologe Georg August Weltz wurde beschuldigt, an medizinischen Experimenten im KZ Dachau teilgenommen zu haben. Häftlinge wurden Unterkühlungs- und Druckkammerexperimenten ausgesetzt. Von 200 starben 80 an den Folgen der Experimente. Weltz wurde beim Nürnberger Ärzteprozess freigesprochen.

Aber auch im Windschatten von Hitlers Eroberungskriegen spielten Radiologen eine unrühmliche Rolle. Unter dem Deckmantel der Tuberkulosebekämpfung untersuchten "Röntgen-Einheiten" Tausende auf rassische Merkmale. Die Ausstellung ist noch bis zum 30. September zu sehen.

(RP)
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