Remscheid Mehr als nur sechs Saiten zum Zupfen und Anreißen

Remscheid · Das Bergische Gitarrenfestival 2017 endete mit der traditionellen "International Guitar Night".

 Jinsae Kim (Südkorea) studiert bei Prof. Gerhard Reichenbach.

Jinsae Kim (Südkorea) studiert bei Prof. Gerhard Reichenbach.

Foto: Moll

Seit 39 Jahren findet das Internationale Bergische Gitarrenfestival statt. Höhepunkt war und ist stets die "International Guitar Night". Und nach jeder dieser Nächte, in der die Gitarre in all in Variationen und Spielweise Triumphe feiert(e), taucht die Frage auf: Ist das im nächsten Jahr noch zu übertreffen? Bei aller Begeisterung ist das die falsche Frage. Wer wird im nächsten Jahr auf der Bühne wiederum die Zuhörer aus den Sesseln heben?, muss es heißen. Keine Überraschung also, dass auch in der vergangenen Woche vier sehr unterschiedliche Programmpunkte jeweils die Leute zu Begeisterungsstürmen hinrissen. Jinsae Kim, Gerhard Reichenbach, die Katona Twins und Mike Marshall zusammen mit dem Michael Borner Trio wurden alle der besonderen Charakteristik dieser Gitarren-Jubelarie gerecht.

Remscheid: Mehr als nur sechs Saiten zum Zupfen und Anreißen
Foto: Moll Jürgen

Diesmal stand das Konzert außerdem noch unter einem besonderen Stern: "In memoriam Janes Klemencic". Über lange Jahre war Klemencic als Dozent für Mundharmonika im Stammteam der Dozenten nicht wegzudenken. Er starb im vergangenen Jahr. Sein Tod hinterließ auch in der Guitar Night Spuren. Sie wurde maßgeblich geprägt von der "Welt der Klänge" (Gerhard Reichenbach) - eine ruhige Atmosphäre herrschte vor. Der junge südkoreanische Gitarrist Jinsae Kim - derzeit noch Student bei Prof. Gerhard Reichenbach - zeigte mit einer souveränen Hingabe an jeden einzelnen Ton, dass das Gefühl dafür bei ihm Mittelpunkt steht: Jeder einzelne Ton entfaltete die ihm zustehende Wirkung. Die dadurch entstehende Spannung schlug die Zuhörer in ihren Bann.

Ähnlich Reichenbach. Er machte aus seinem Gedenken an Klemencic kein Hehl. Seine Interpretation von Tschaikowskis Meditation, Op.72 No.5 ging am Intellekt vorbei direkt ins Herz. Die Flageolett-Töne wehten wie von der Glocke angeschlagen in die Atmosphäre. Die Virtuosität des Meisters zeigte sich in seiner Achtsamkeit im Umgang mit Melodie und Akkord sowie in seinem Gefühl für die Bedeutung des Augenblicks. Allein die Gegenwart und Schönheit der Musik zählten. Sie wurden zum ehrfürchtigen Gruß an Janes Klemencic.

Nach der Pause ging es weiter mit dem aufrüttelnden Klangerlebnis der Katona Twins. Peter und Zoltán Katona zeigten besonders in ihrem eigenen Stück "Die Brüder Karamasow" frei nach Dostojewski, was sie unter einer Gitarre verstehen: nicht nur sechs Saiten zum Zupfen und Anreißen, sondern auch ein Klangkörper zum Schlagen und Trommeln. Und das mit einer gemeinsamen Synchronizität, die vielleicht so nur Zwillinge zuwege bringen. Ihre "Scarletti-Metamorphose schwang sich stellenweise als "Akustik-Heavy-Metal" von der Bühne. Den Schluss bildeten ruhigere Gefilde von Mike Marshall (Mandoline) und dem Michael Borner Trio. Sie brachten das Kunststück fertig, mit eingängigen und zugleich virtuosen Stücken auf dem riskanten Pfad zwischen mitgehender Tanzmusik (Samba) und jazzigen, filigranen Solos Herz und Seele gleichermaßen zu begeistern. Diese Guitar Night machte Lust auf die nächste in 2018.

(bg)
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