Remscheid Mit Schnapspralinen gegen das System

Remscheid · "Die Känguru-Chroniken" nach Marc-Uwe Kling begeisterte das Publikum im sehr gut besuchten Teo Otto Theater am Dienstagabend mit einer gelungenen Mischung aus Kabarett, Musik, Gesang und kluger Gesellschaftskritik.

 Auf der Bühne in Aktion (v.l.): Jan Exner als Souffleur, Markus Penne als Herta, Patric Welzbacher als Kleinkünstler und Julia Sylvester als Känguru.

Auf der Bühne in Aktion (v.l.): Jan Exner als Souffleur, Markus Penne als Herta, Patric Welzbacher als Kleinkünstler und Julia Sylvester als Känguru.

Foto: Martin Büttner

Es mag eine nicht ganz so schwierig zu bewältigende Aufgabe gewesen sein, wie es etwa die Neuübersetzung ins Deutsche von James Joyce' Meisterwerk "Ulysses" ist. Aber dennoch ist es bestimmt nicht einfach für Mirko Schobert, Regisseur und Intendant der Burghof Bühne in Dinslaken, gewesen, Marc-Uwe Klings kultbewehrte Känguru-Trilogie für die Bühne zu adaptieren. Dass das Vorhaben mehr als nur gelungen ist, ist auch dem hervorragend aufspielenden Ensemble zu verdanken, das am Dienstagabend im sehr gut besuchten Teo Otto Theater völlig zu Recht begeisterten Applaus bekommt.

"Die Känguru-Chroniken" - so heißt das anderthalbstündige Stück. Und so heißt auch das erste der drei Bücher Klings. Allerdings hat Schobert nicht den Fehler begangen, einfach nacherzählen zu wollen, was Erzähler Marc-Uwe und sein Mitbewohner, das kommunistische Känguru mit Box-Ambitionen und jeder Menge freien Geistes zwischen den spitzen Ohren, so erleben. Denn das wäre bestimmt eher langweilig ausgefallen. Nein, Schobert bedient sich eines gelungenen Kniffs: Er lässt Marc-Uwe, quasi als Fortführung nach dem Ende des dritten Teils, ein Theaterstück über sein Leben mit dem Beuteltier schreiben.

Der Känguru-Kenner findet dabei viele liebevolle Reminiszenzen in der Bühnendekoration - Hertas Eckkneipe ist die eine Seite, die Hängematte und die Couch von Marc-Uwes Wohnzimmer bilden die andere Seite. Zusammengehalten wird die Geschichte vom Musiker und Souffleur (stoisch und gelassen: Jan Exner), der mit seiner Gitarre bewaffnet entweder die Songs begleitet, die zwischen den Szenen gegeben werden, oder eben als Stichwortgeber für Känguru (herrlich anarchisch: Julia Sylvester) und Kleinkünstler (optisch durchaus dem echten Kling ähnlich: Patric Welzbacher).

Als extrem wandelbar entpuppt sich der vierte im Bunde, Markus Penne, der sowohl als berlinernde Kneipenbesitzerin Herta den Running Gag "Dit spiel ick euch!" in den Raum wirft, wenn es in den einzelnen Szenen etwa einen Patrioten mit Fahne, den verschrobenen Psychoanalytiker, den strammen Nazi, den skrupellosen Bankberater oder den kafkaesken Beamten zu geben gibt. All das sind natürlich Figuren aus dem Känguru-Kosmos - und sie alle sorgen im Publikum, ob genannte Kenner oder Känguru-Novizen, für große Heiterkeit.

Natürlich fehlt auch des Kängurus wichtigste Waffe im Kampf gegen das System nicht: Schnapspralinen. Die mampft es, während es in der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung e.V. die Revolution plant, genauso, wie nach erfolgter Korrektur falscher Graffiti an den Berliner Wänden oder bei der Analyse des patriotischen Fußballfans, in der es diesem den "fiesen kleinen Bruder des Nationalismus, dem Rassismus" als Krebsgeschwür diagnostiziert.

Und hier liegt der große Wert von Marc-Uwe Klings Büchern. Denn nicht nur sind sie einfach gute Unterhaltung, die auf jeden Fall auch auf der Bühne funktioniert. Sie sind auch kluge Gesellschaftskritik von links. Und so ertappt man sich beim fürs Kabarett typischen, verschämt-amüsierten "Höhöhö", wenn der Beamte zum Känguru sagt: "Können Sie sich ausweisen?" Und dieses darauf antwortet: "Entschuldigung, aber das finde ich etwas viel verlangt. Ist es nicht Ihr Job, mich auszuweisen?"

(RP)
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