Mein Verein Parzelle 34 - Paradies auf 330 Quadratmetern

Remscheid · Ihr Kleingarten in Kremenholl ist für Gudrun Göhl schon seit vielen Jahren ein Rückzugsort. Dort findet sie Natur, Stille und Gemeinschaft.

 Der Apfelbaum, den Gudrun Göhl pflanzte, hat mittlerweile schon eine stattliche Größe erreicht. So erntet sie gerne die Früchte ihrer Arbeit und freut sich an dem kleinen Stück Natur.

Der Apfelbaum, den Gudrun Göhl pflanzte, hat mittlerweile schon eine stattliche Größe erreicht. So erntet sie gerne die Früchte ihrer Arbeit und freut sich an dem kleinen Stück Natur.

Foto: Nico Hertgen

Das Erste, was Gudrun Göhl dem Besucher auf ihrer Parzelle 34 im Kleingärtnerverein RS-Kremenholl reicht, ist ein Apfel - soeben vom Baum gepflückt, handtellergroß und mit satten, roten Wangen. Ein Biss - und frische, fruchtige Süße füllt den Mund. "Natürlich ungespritzt", sagt die 78-jährige Kleingärtnerin. Anschließend setzt sie sich auf die kleine Terrasse vor ihre Hütte und genießt den Ausblick.

"Man sieht direkt über das Tal mitten auf unseren schönen Remscheider Mischwald auf der anderen Seite", schwärmt sie. Alle Parzellen des "oberen Gartens" liegen am Hang und lieferten einen unverbaubaren Blick. Deswegen habe sie sich damals - "ungefähr 1970" - mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann diese Stelle ausgesucht. Warum? Gudrun Göhl lächelt. "Unsere Kinder wussten nicht, woher die Möhren kommen." Und das haben sie ihnen buchstäblich zeigen wollen. Und seitdem beackert sie ihre Parzelle - 330 Quadratmeter.

Wobei es in jungen Jahren natürlich besser ging als heute. Aber von ihrem Garten könne sie nicht lassen. Wenn es möglich ist, ist sie jeden Tag hier. Sie wohnt zusammen mit ihrem Lebensgefährten Joachim Gründer rund zehn Minuten vom Kleingarten entfernt. Sie arbeitet alleine im Garten, ihr Partner kümmere sich lieber um "das Organisatorische". Noch im vorigen Jahr habe sie persönlich die Hecke am Eingang geschnitten, dieses Jahr habe es zum ersten Mal der Schwiegersohn gemacht. Jetzt müsse die Parzelle allmählich winterfest gemacht werden. Dann schweigt sie, offenbar von Erinnerungen überwältigt. Die eindringliche, zunächst unbemerkte, aber dann um so nachdrücklicher wirkende Stille breitet sich aus.

Kaum ein Lüftchen regt sich an diesem Vormittag, die Sonne schimmert herbstlich, ein paar Vögel zwitschern. Es riecht frisch - nach Gras und Grün, nach Laub und Hecke, nach Blatt und Blumen. "Wir nennen das hier 'unser kleines Stück vom Paradies'", sagt Gudrun Göhl und macht einen tiefen Atemzug. Der Anfang sei damals mit viel Arbeit verbunden gewesen: "Es war nur ein Flecken Erde. Wir haben eine Bodenplatte betonieren lassen und alles urbar gemacht." Die Laube kauften sie dort, wo sie gebaut wurde: im Gefängnis in Lüttringhausen.

Das sei eine Auflage der Stadt gewesen. Mittlerweile verfüge jede Parzelle über Strom und Wasser. Ihr Garten bedeute für sie "das Gefühl von Freiheit, das mir dieses Stück Natur gibt, auf dem ich mich frei bewegen und es gestalten kann". Das Schönste im Vereinsleben sei die "tolle Gemeinschaft, auch mit Einwanderern", betont sie. Das Verhältnis untereinander sei sehr herzlich. Das spüre man besonders beim Sommerfest und bei den anderen Geselligkeiten - der Mensch brauche soziale Kontakte und deswegen genieße sie den Verein. Und auch Besucher seien hier stets willkommen.

Selbstverständlich sei sie bei allen Vereinsangelegenheiten dabei. Und das Unangenehmste? Gudrun Göhl denkt nach, lächelt und sagt : "Früher hieß das Pflichtstunden, heute Gemeinschaftsarbeit." Aber das müsse ja auch sein.

(RP)
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