Remscheid Philosophin: Keine Meinung soll ausgegrenzt werden

Remscheid · Lüttringhauser Gespräche zu Pegida und Co.: Auch extreme Positionen müssen in einer Demokratie gehört werden.

Aktueller konnte das Thema des 3. Lüttringhauser Gespräches gar nicht sein. Flüchtlinge, Terrorakte, Pegida, erstarkender Antisemitismus und Islamophobie erschwerten einen politischen Diskurs, hieß es in der Ankündigung. Die Rednerin Dr. Ana Honnacker nahm "Strategien, Regeln und Prinzipien des politischen Diskurses in Zeiten von Pegida" aufs Korn. Sie hat Philosophie und Theologie studiert und am Fachbereich Philosophie der Goethe-Universität Frankfurt promoviert.

Wenngleich sie am Anfang betonte, dass Philosophie zwar viele Fragen aufwerfe, aber höchstens "Reflexionshilfen und Leitlinien" liefern könne, waren ihre Aussagen unerwartet konkret. In einem idealen Weltbild einer "liberalen Demokratie" schreibe der Staat keine Weltanschauung vor, sagte sie. Unterschiedliche Meinungen müssten auf der Basis einer "deliberativen (wörtlich: beratschlagenden) Demokratie" gewaltfrei zu Lösungen finden.

Derart sollten auch Menschen mit extremen Positionen mitreden dürfen. Allerdings darf ein solcher Diskurs nicht sich selbst überlassen bleiben. Es gelte, Regeln der Fairness auch gegenüber extremen Argumenten anzuwenden, ohne diese Extreme als wahr anzuerkennen. Zweifellos eine Gratwanderung.

Werden aber solche Meinungen einfach ignoriert, werden besorgte Bürger schnell zu gekränkten Bürgern, die sich ohnmächtig fühlten. Solche Ressentiments können dann verzerrte Urteilskraft (Schwarz-Weiß-Denken), Neid und Hass sowie den Hang zu Verschwörungstheorien ("Lügenpresse") verursachen. Ein Ausschluss extremer Meinungen vom politischen Diskurs treibe deren Befürworter nahezu zielsicher in die Ecke der Gewalt. Honnacker zitierte eine Statistik: Während im Jahre 2011 18 Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte verzeichnet wurden, waren es in diesem Jahr bis Oktober bereits 580. Die meisten Täter seien hierbei keine altbekannten Rechtsextremisten, sondern neu Hinzugekommene, die sich bis jetzt nichts haben zuschulden kommen lassen.

"Die Bürger, die sich Pegida anschließen, wollen gehört werden", sagte Honnacker. Man müsse sensibel für ihre Probleme werden, diese auch akzeptieren und nicht einfach ignorieren. Dort seien ganze Bevölkerungsgruppen zu finden, die man in der Vergangenheit schlichtweg ignoriert habe. Sie sind ein leichtes Opfer von Hasspredigern. Diese beriefen sich oft auf Meinungsfreiheit. Das sei ein Widerspruch in sich, da die Hassprediger gleichzeitig die Freiheit und Gleichheit aller Personen in ihren rassistischen Äußerungen ablehnten. Was sei also zu tun? Demokratie ist nicht erzwingbar. Sie müsse als Lebensform gestärkt werden. Indem etwa Pegida Gesprächsangebote unterbreitet werden. Und zwar zugunsten derer, die man noch erreichen könne.

(begei)
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