Markus Wolff Plädoyer für eine "grüne" Stadtplanung

Remscheid · Der Leiter der Abteilung Grünflächen, Friedhöfe und Forstwirtschaft spricht über Bäume und Hecken als Feinstaubfilter.

 "In guten Jahren pflanzen wir alleine im Forstamt 60.000 Bäume", nennt Markus Wolff ein Beispiel für die Entwicklung des Grüns.

"In guten Jahren pflanzen wir alleine im Forstamt 60.000 Bäume", nennt Markus Wolff ein Beispiel für die Entwicklung des Grüns.

Foto: Jürgen Moll

Herr Wolff, wie grün ist Remscheid?

Markus Wolff 79,8 Prozent der Stadtgebietsfläche ist grün, sagt eine Analyse der Berliner Morgenpost. Dass sich eine regionale Tageszeitung dieses Themas annimmt, zeigt, dass mehr Grün scheinbar auch mit mehr Lebensgefühl und mehr Wohlbefinden gleich gesetzt wird.

Das heißt, es geht uns gut in Remscheid?

WOLFF Was das Grün angeht, ja.

Aber immer, wenn Bäume gefällt werden, ist der Protest groß, zuletzt wieder im Bereich des DOC. Wird die Stadt immer grauer und drumherum wird es immer grüner?

WOLFF Die Kritik ist in Teilen berechtigt, etwa wenn es um die Fällung der 200-jährigen Buche an der Albert-Schmidt-Allee in Lennep geht. Es wird aber verkannt, dass Einiges an Grün auch neu entsteht. Es werden Bäume gepflanzt. Wir als TBR wollen das Bauchgefühl aber auf eine sachliche Grundlage stellen. Dass Remscheid grauer wird, kann ich nicht bestätigen. Um das überzeugend zu vermitteln, brauchen wir aber harte Fakten.

Dafür erstellen die TBR nun ein Grünkonzept für Remscheid. Wie weit ist das gediehen?

WOLFF Die Hochschule Höxter hat von uns umfangreiche Daten bekommen, die nach Rücksprache zum Teil auch noch mal ergänzt und neu erhoben werden müssen. Unser Fahrplan sieht vor, dass wir in wenigen Monaten erste Ergebnisse vorlegen.

Worum wird es dabei genau gehen?

WOLFF Das Prinzip ist ganz einfach. Ganz Remscheid wird in ein Stichprobenraster gepackt. An den zufällig ausgewählten Knotenpunkten werden Daten erhoben. Einige der Punkte fallen gegebenenfalls auf einen Wald, andere auf ein Privatgrundstück. Wir wollen das private Grün unbedingt in unsere Untersuchung einbeziehen. Denn der Friedhofsbaum oder die Hecke im Privatgarten haben auch einen Einfluss auf den Klimaschutz oder für das grüne Erscheinungsbild einer Stadt. So trägt auch jeder private Eigentümer mit seinen Entscheidungen für oder gegen mehr Grün zum Gesamtbild bei.

Läuft die Vermessung nur aus der Luft mit Satellitenbildern?

WOLFF Nein, diese Scans sind zwar schon sehr genau, aber wir werden auch Privatleute besuchen, um Nachmessungen durchzuführen. Unser Ziel ist es, herauszufinden, wie viel Kohlenstoff pro Hektar Stadtgebiet gespeichert wird. Dieser Wert gibt den Status quo wieder und lässt sich auch mit anderen Städten vergleichen. In fünf oder zehn Jahren wollen wir wieder an den gleichen Stellen messen, um die Veränderung zu erfassen.

Was passiert mit den aktuellen Ergebnissen?

WOLFF Wir geben die Zahl an die Politik, um dort entscheiden zu lassen, wie wir mit diesen Ergebnissen umgehen sollen. Welche strategischen Ziele wollen wir daraus ableiten? Vielleicht wollen wir ja fünf oder zehn Prozent mehr Kohlenstoffspeicherung erreichen?

Also ein neuer Baustein für ein Klimakonzept für Remscheid?

WOLFF Genau. Da geht es zum einem um die gefühlte Lebensqualität, über die wir am Anfang gesprochen haben. Was oft vergessen wird in diesem Zusammenhang, ist, dass Grün Feinstaub filtert. Remscheid gehört zu den Städten in NRW, wo an mancher Stelle die Belastung zu bestimmten Zeiten überschritten wird. Grün hat die Möglichkeit, diese Spitzen abzufedern.

Ist eine punktgenaue Veränderung möglich? Etwa an der Freiheitstraße?

WOLFF Das ist sicher illusorisch, auch weil der Platz dort für Bäume nicht da ist, etwa weil Leitungen im Boden verlaufen. Aber unser Ziel ist es schon, die Daten so genau zu erheben, dass man Klimaschutzkonzepte für einzelne Stadtquartiere entwickeln kann.

Wir planen also das Grün für neue Wohngebiete künftig gleich mit?

WOLFF Das wäre eigentlich moderne Stadtplanung. Ich würde mir wünschen, dass das immer so ist. Ich erinnere an das Projekt Klimaanpassungsstrategie, an dem alle Abteilungen der Stadt beteiligt waren. Es ging darum, einen Alarmplan bei überhitzten Innenstädten oder Starkregenereignissen auszuarbeiten, damit wir gewappnet sind, wenn wir künftig noch heißere Sommer mit entsprechenden Gewittern bekommen. Ab gewissen Temperaturen bekommen zum Beispiel Senioren riesige Probleme. Im Jahrhundertsommer 2003 gab es viele Sterbefälle. Grün spielt in den Städten eine maßgebliche Rolle, um Hitzespitzen abzufedern. Das ist integrierte Stadtentwicklung. Kollegen aus dem Ruhrgebiet haben bei einem Treffen in Müngsten berichtet, wie sie neue Stadtteile auf ehemaligen Zechengelände entwickeln. Da steht die Grünplanung am Anfang. Wir denken oft erst in Beton, und dann kommt das Grün dazu. Über diese Prioritäten sollten wir nachdenken, um für die Zukunft besser gewappnet zu sein.

Zurück zur Menge des Grüns. Gibt es da eine Bilanz? Wird es mehr oder weniger?

WOLFF In guten Jahren pflanzen wir alleine im Forstamt 60.000 Bäume, die sind natürlich klein. Darum macht es wenig Sinn, diese Menge in Beziehung zu wenigen gefällten Bäumen zu setzen. Insgesamt hat die Waldfläche in den letzten 15 Jahren erheblich zugenommen, etwa im Bereich Bergisch Born. Das führt auch schon mal zu Diskussionen. Die Bezirksregierung sieht uns als waldreich an, denen ist das schon zu viel. Ich könnte mir gut vorstellen, da noch ein paar Prozent drauf zu packen. Aber da treffen unterschiedliche Philosophien aufeinander.

Ist denn bei den Bürgern die Wertschätzung für den Wald und seine Bewirtschaftung gewachsen?

WOLFF Für den Wald insgesamt ja, dazu hat auch der Bestseller von Peter Wohlleben ("Das geheime Leben der Bäume", Anmerkung der Redaktion) beigetragen. Die Bewirtschaftung dagegen wird eher kritischer gesehen. Dass für schicke Möbel zuerst Bäume gefällt werden müssen, blenden manche aus. Ein Wald, den man sich selber überlässt, ist aber auch aus ökologischer Sicht nicht gut. Die Bäume brauchen Platz, den muss man ihnen geben. Sonst wachsen sie schmal, mit kleinen Kronen und werden beim nächsten Sturm umgeweht.

Gehen die vielen Nutzer des Waldes - Fußgänger oder Jogger - denn respektvoller mit dem Wald um?

WOLFF Ich finde es total gut, dass die Menschen den Wald nutzen und wertschätzen. Es häufen sich bei uns aber eher die kritischen Stimmen. Etwa wenn Bäume gefällt und dafür Wege gesperrt werden. Eine Kampagne der Deutschen Forstwirtshaft lautet: "Wald tut dir gut." Das drückt es genau aus. Man fühlt sich wohl im Wald. Untersuchungen zeigen, dass schon eine halbe Stunde im Wald den Blutdruck nachweisbar senkt. Er ist einfach gut für Körper und Geist. Ein Professor, der mit uns zusammenarbeitet, untersucht den Zusammenhang von Wald und Gesundheit. Aber so weit sind wir in unserem Projekt noch nicht. Zuerst wollen wir wissen, ob die Politik Interesse daran hat, aus dem Riesenpotenzial, das Grün in Remscheid bietet, mit uns etwas zu entwickeln.

Haben Sie eine Lieblingsstelle im Remscheider Wald?

Wolff Es gibt viele. Eine davon ist an der Lehmkuhle. Man schaut über das Tal der Wupper - und alles, was man sieht, ist Wald.

HENNING RÖSER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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