Remscheid Scharfsinnige Seitenhiebe zur Lage der Nation

Remscheid · Der Schauspieler Walter Sittler führte das letzte Programm des großen Kabarettisten Dieter Hildebrandt in der Klosterkirche auf.

 Walter Sittler kam in die Klosterkirche.

Walter Sittler kam in die Klosterkirche.

Foto: Jürgen Moll

"Das ist das einzige, das mich mit der Bundeskanzlerin verbindet: Wir beide können Lob vertragen." Dieses Zitat des unvergessenen, unvergleichlichen, aber ebenso nicht unumstrittenen Dieter Hildebrandt aus dem Jahr 2013 ist in diesen Tagen an Aktualität kaum zu überbieten - genauso, wie viele andere Gedanken aus dem Programm "Letzte Zugabe" auch nicht.

Mit Walter Sittler erinnerte einer der derzeit gefragtesten deutschen Schauspieler im sehr gut besuchten Kulturzentrum Klosterkirche an den vor drei Jahren im Alter von 86 Jahren verstorbenen politischen Kabarettisten, der mit seinem Scharfsinn und klarem Blick auf gesellschaftliche und politische Zu- und Missstände die Nachkriegszeit bis ins dritte Jahrtausend hinein prägte. Sein letztes Programm konnte Hildebrandt nicht mehr selbst vorstellen, verstarb er doch kurz vor der geplanten Uraufführung. Walter Sittler hat sich den Ausführungen gewidmet und man muss sagen, er war auf der Bühne ein würdiger Protagonist, um die blitzgescheiten An- und Bemerkungen zur Lage dieser und anderer Nationen aufs Tapet zu hieven. Seine sprachlich und inhaltlich genialen Texte derart brillant vortragend, wusste der Satiriker Hildebrandt auch posthum auf ganzer Linie zu überzeugen. Sittler versuchte nicht, den Bühnenauftritt des Kabarettisten zu imitieren, dennoch griff er den charakteristischen Duktus seiner Sprache auf.

Hier und da ein abrupter Gedankensprung, ein paar zögerliche, manchmal stotternde Satzanfänge und schon sah man sich hinein versetzt in den "Scheibenwischer", mit dem Hildebrandt über 20 Jahre lang via TV die bundesdeutschen Wohnzimmer erreichte.

Die Lesung erinnerte mit den Worten des Kabarettisten an die Zeit, als die junge Bundesrepublik die NS-Zeit nicht abschütteln konnte, waren doch Parlamente, Justiz und Verwaltung mit früheren Nazis oder zumindest mit Regime-Anhängern durchsetzt. Doch genauso scharfzüngig hatte Hildebrandt die Monaco-Hochzeit aufs Korn genommen - "Vier Stunden Live-Übertragung mit zwei Langeweilern als Hauptdarsteller. Da war die Beisetzung von Otto von Habsburg lustiger." Das Streben nach Freiheit, die immer mehr eingeschränkt wird, Globalisierung oder das undurchsichtige Geflecht international operierender Unternehmen - der Altmeister der Satire gab den Zuhörern durch Walter Sittler eine Menge zum Nachdenken mit auf dem Heimweg, wobei es genauso viel zu lachen gab. Mit erklärenden Kommentaren zu Hildebrandt und seinem Werk hielt sich Sittler zurück.

(RP)
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