Remscheid Sirin möchte Flüchtlingskindern helfen

Remscheid · Sirin Seydo (18) kam als kleines Kind als Flüchtling aus Syrien nach Remscheid. Nun engagiert sie sich für diese Gruppe.

 Sirin Seydo auf der unteren Alleestraße, Ihre Schule, die Albert-Einstein-Gesamtschule, liegt ganz in der Nähe.

Sirin Seydo auf der unteren Alleestraße, Ihre Schule, die Albert-Einstein-Gesamtschule, liegt ganz in der Nähe.

Foto: Moll, Jürgen

Sirin Seydo ist 18 Jahre alt, macht gerade ihr Abitur, an der Albert-Einstein Gesamtschule. Dort ist sie Schülersprecherin. Außerdem ist sie Mitglied im Jugendrat und engagiert sich für Flüchtlingskinder.

Warum? Weil sie genau weiß wie es ist, in einem Flüchtlingsheim zu leben. Vor 16 Jahren kam sie mit ihren Eltern und Brüdern von Syrien nach Deutschland. Elf Jahre lang lebten sie mit einer ungewissen Zukunft. Heute blickt die 18-Jährige dankbar zurück und sagt stolz: "Ich bin Deutsche mit Migrationshintergrund."

Sirin Seydo ist eine junge, lebensfrohe Frau, die mitten im Leben steht. Sie ist aufgeschlossen und freundlich. Ein Familienmensch, der immer ein Lächeln auf den Lippen hat. Sie ist sozial engagiert, möchte Grundschullehrerin oder Sozialpädagogin werden. Wer sie nicht kennt, merkt nichts von der aufgewühlten Kindheit, die sie selbst erleben musste.

Als sie zwei Jahre alt war, flohen ihre Eltern mit ihr und ihren drei älteren Brüdern (heute 24, 23 und 19 Jahre alt) aus Syrien. Sie selbst erinnert sich kaum an diese Flucht, weiß nur aus Erzählungen ihrer Eltern und Brüder wie es war: "Wir sind sehr viel zu Fuß gegangen, wurden zwischendurch von Lastwagen mitgenommen, die uns über Grenzen schmuggelten." Von ihren Eltern weiß sie, dass sie kein schönes Leben in Syrien hatten. "Wir wurden wegen unserer Religion verfolgt", erzählt Seydo. Sie gehören dem Jesidentum an, einer nordkurdisch-sprechenden Minderheit im zumeist konservativ muslimischen Syrien. Über Italien und Tschechien kamen sie schließlich nach Deutschland. In Remscheid kamen sie prompt in ein Heim für Flüchtlinge und Asylsuchende. "Das war damals noch in der Weststraße", erinnert sich die 18-Jährige. "Zuerst lebten wir zu sechst in einem Zimmer, teilten uns Küche und Bad mit den anderen Bewohnern des Hauses." Die Angst, abgeschoben zu werden, war groß. Doch ohne gültige Ausweise und Dokumente wurden sie zunächst in Deutschland geduldet. Kurz danach zogen sie in eine höhere Etage des Hauses ein, in eine Wohnung mit drei Zimmern, von denen sie aber nur zwei nutzen durften. "Im anderen Zimmer wohnte eine andere Familie", erzählt die 18-Jährige. "Das war schon ein komisches Gefühl, sich die Wohnung mit Fremden zu teilen." Sie selbst hatte keinen Rückzugsort und lebte jahrelang mit ihren Eltern und drei älteren Brüdern auf engsten Raum zusammen. Freundinnen mal nach der Schule zu sich nach Hause zum Spielen einladen, das ging nicht. "Wenn ich für mich sein wollte, habe ich mich in das Schlafzimmer meiner Eltern zurückgezogen", sagt sie. "Da konnte ich Mädchen sein."

Nachts ruhig schlafen zu können, war lange ein Privileg, das der Familie nicht gegönnt war. Sie hatten Angst, nachts von Beamten aus dem Schlaf gerissen und abgeschoben zu werden. Jedes Geräusch in der Nacht ließ sie aufschrecken. Seydo erinnert sich daran, wie nachts ihre Nachbarn abgeholt wurden. "Wir lebten auf unsicheren Boden, und es hätte jeder Zeit auch uns treffen können."

Auch in der Schule wurde sie anders behandelt. "Ich habe schnell realisiert, dass ich anders war, habe aber lange Zeit nicht verstanden,warum. Zum Beispiel wenn es um Ausflüge ging, dann wurde das bei mir immer anders geregelt", erinnert sich Seydo.

Mittlerweile haben Seydo und ihre Familie eine Aufenthaltserlaubnis und wohnen in einer normalen Mietwohnung. Kommendes Jahr möchte die 18-Jährige die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. "Ich fühle mich Deutsch." Auch wenn sie ihre Kultur und Traditionen in der Familie ausleben, "mit dem Land Syrien kann ich mich nicht identifizieren", sagt die junge Frau.

Trotz ihrer ungewöhnlichen Kindheit hat Sirin Seydo auch schöne Erinnerungen daran. Zum Beispiel, als sie in den Sommerferien an der Kinderstadt teilnehmen konnte. "Es war schön, mal aus dem Alltag herauszukommen und dort einfach mal mit anderen Kinder zu spielen."

Nachdem sie für die Kinderstadt zu alt geworden war, blieb sie dem Ferienangebot als Helferin treu. Es hatte sich aber vieles verändert. "Als ich als Helferin tätig war, waren kaum noch ausländische Kinder da." Einige Plätze für Flüchtlingskinder wurden nach wie vor frei gehalten, doch es meldete sich keiner dafür. "Ich erfuhr dann, dass sich kaum noch jemand darum kümmerte."

Als Jugendratsmitglied hat sie sich nun besonders dafür eingesetzt, diese Spielangebote für Flüchtlingskinder, gemeinsam mit weiteren Institutionen, wie den Jugendzentren, wieder aufleben zu lassen. Für Sirin Seydo ist dies die beste Art der Integration. "Ich war früher selbst ständig in der Kraftstation. Für mich war es ein zweites Zuhause. Dieses Gefühl möchte ich auch den jetzigen Flüchtlingskinder vermitteln, dass es in Remscheid sehr wohl Menschen gibt, die sie hier haben wollen und bei denen sie willkommen sind."

(sebu)
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