Lokalsport Der letzte Akt

Remscheid · Sonntag, 9. Juni 1991. Die Stadt steht Kopf. Ich auch. Die Fußballer des FC Remscheid haben im Röntgen-Stadion den VfL Wolfsburg geschlagen. Ja, genau die "Wölfe", die gerade DFB-Pokalsieger geworden sind und Anlauf nehmen, um wenigstens für eine Weile den FC Bayern auch in der Liga zu jagen. Also: Der FCR hat Wolfsburg vor 9000 Zuschauer mit 2:0 besiegt und steigt in die Zweite Bundesliga auf. Riesentrubel in Remscheid.

Samstag, 8. Juni, 1991. Im Schatten des bevorstehenden Fußball-Showdowns feiert eine Veranstaltung ihre Premiere. Der Reinshagener TB hat zusammen mit der Stadtsparkasse den ersten Remscheider City-Lauf aus der Taufe gehoben. Mit meiner Einschätzung der Tragfähigkeit des Projekts liege ich total daneben. Hunderte Läufer sind dabei, nur ich nicht. Ich habe Kollege Oliver Bloch den Termin überlassen.

Er erlebt eine absolut gelungene Premierenveranstaltung mit tollen Ergebnissen und hochveranlagten Sportler. Beim Hauptlauf gewinnt die damals blutjunge Stefanie Soeder, bei den Herren liegt Robert Langfeld vor Arnd Bader. Namen, die auch heute noch gehaltvoll klingen. Ich sehe meine grandiose Fehleinschätzung schnell ein und erlebe in den Folgejahren mit, wie der City-Lauf stetig wächst, wie er erst eine feste Institution und später sogar ein bisschen Kult wird.

Er ist anfangs vor allem auf Leistung getrimmt, lockt ohne mit Antrittsprämien zu winken die Laufelite der Region an. Später wandelt sich der Charakter. Die Veranstaltung wird in der Organisation immer erwachsener, aber auch breitensport-orientierter. Die Teilnehmerzahlen steigen, weil nicht zuletzt der Nachwuchs auf den Stadtkegel drängt. Aus dem City-Lauf wird ein Familien-Happening. Mit allem was dazu gehört.

Nur der Hauptlauf wird mit den Jahren mehr und mehr zum Stiefkind. Da helfen auch die ersten Starter mit afrikanischen Wurzeln nicht mehr. Viele Läufer entscheiden sich, die fiese Rampe der Alleestraße nicht unbedingt jedes Jahr hochhecheln zu wollen. Ein Finisher-Shirt reicht. Ich bin nie mitgelaufen, war nur mit den Augen dabei. Was der City-Lauf in den letzten 24 Jahren für mich war? Ein Schmelztiegel des Sports.

Es ging nicht alleine um Siege und Bestzeiten. Es ging ums Dabeisein. Auf und neben der Strecke. Jahr für Jahr traf man viele Sportler aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Als Starter, als Zuschauer, als Begleitservice für Freunde und Verwandte. An der immer riesiger werdenden Verpflegungstheke und am Getränkestand gab's zufälligen Smalltalk mit Honoratioren aus Sport und Politik - oder mit dem Nachbarn.

Irgendwie war der City-Lauf auch ein kulturelles, ein gesellschaftliches Ereignis. Eine Informations-Börse, ein Ort des Fachsimpelns. Nicht nur über den Sport. Was mir auch in Erinnerung bleiben wird, sind die kleinen Begebenheiten am Rande. Die Bambini, die an der Hand der Mutter einmal ums Rathaus staksen, und denen völlig wurscht ist, wie schnell sie sind, auf welchem Platz sie liegen. Auch die Wetterkapriolen, die zwischen glühender Hitze und empfindlicher Kühle, zwischen strahlendem Sonnenschein und wütendem Gewitter mit Orkan-Winden mäanderten.

Aber vor allem werden es die vielen Menschen sein, die 25 Jahre lang Spaß am und mit dem City-Lauf hatten. Dafür gilt es allen, die in dieser Zeit in welcher Funktion auch immer eine der großen Sportveranstaltungen der Stadt (und die einzige in ihrem Herzen) möglich gemacht haben, Dank zu sagen - verbunden mit der Hoffnung, dass die Nachfolgeveranstaltung ab dem kommenden Jahr in Reinshagen ebenso dafür sorgen wird, dass die Stadt wie bisher einmal im jahr Kopf steht - wie seit dem 8.

Juni 1991. H. SCHLÜTER

(RP)
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