Fußball Grüne Hölle auf der roten Asche

Remscheid · Fußball: Wo früher munter gekickt wurde, überwuchert das Unkraut die Plätze, die scheinbar niemand mehr braucht.

 Nur auf den ersten Blick ist er brachliegende Jahnplatz in Radevormwald ein Idyll.

Nur auf den ersten Blick ist er brachliegende Jahnplatz in Radevormwald ein Idyll.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Langsam aber sicher wächst Gras über die Sache. Viel Gras. Am Spielfeldrand stehen Büsche, keine Trainer. Unkraut macht sich breit, wo früher trotz der roten Asche im übertragenen Sinn gerne mal "Gras gefressen" und wo trotz spitzer Steinchen mutig gegrätscht wurde. So mancher Alte-Herren-Kicker trägt noch heute knubbelige Andenken unter der Haut mit sich herum.

Aber: Asche ist out - es lebe der Kunstrasen. Wer immer noch auf den mal staubigen, mal schlammigen Hartplätzen kicken muss, jault und mault lautstark. Die Jugendlichen kämen wegen des ungeliebten Untergrunds nicht mehr, heißt es bei den Klubs. Sie liefen gar den Vereinen weg, wenn sie rot statt grün sehen. Eigentlich kaum zu glauben, dass sich der FC Remscheid Anfang der 90er Jahre noch auf der Asche im Lenneper Stadion fithalten musste, wenn die dunkle Jahreszeit den unbeleuchteten Hauptplatz aus dem Verkehr zog. Zweite Liga hin oder her.

Für die älteren Kicker ist der Fußball sowieso untrennbar mit den Hartplätzen und ihren Geschichten verbunden. Vielleicht verklärt sich in der Erinnerung so manches, aber noch heute wird gerne erzählt, wie man einst unweit von Wipperfürth auf dem Platz des VfB Kreuzberg nicht nur die Gegenspieler, sondern auch den Strommast umdribbeln musste, der mitten auf dem Platz stand. Auch die alte Waldkampfbahn von TuSpo Dahlhausen war gefürchtet. Sogar bei der Heimmannschaft. Die Spieler zogen sich im Tal in der Gaststätte Lingel um. Danach stand ein veritabler, gut zehnminütigen Fußmarsch bergauf durchs bewaldete Gelände zum Platz bevor. Ein Warmmachen der anderen Art, ehe es auf der Asche zur Sache ging.

Wo es die roten Flächen heute noch gibt, verkommen sie immer öfter zu sich selbst überlassenen Biotopen. Relikte einer gar nicht so fernen Vergangenheit, wo inzwischen alles mögliche heranwächst, nur kein rau-gestählter Fußball-Nachwuchs mehr. Mancher wird darüber froh sein, dass die Schlacke keine Briegels und Försters mehr ausspuckt. "Eiltsen" ist Geschichte, heute wird eben lieber elegant gehummelst.

In Remscheid-Honsberg sind die Tore auf dem unteren Platz aus der Maus-Perspektive nur noch schemenhaft durch das Gestrüpp zu erkennen. Die Fläche mutet wie eine Versuchsanordnung an: "Wie züchte ich mir ohne eigenes Dazutun einen Naturrasenplatz?" Sehr schade, und aktuell auch ein bisschen unverständlich. Schließlich drängeln sich nebenan auf der schnieken Kunstrasenanlage gleich mehrere Seniorenmannschaften bei der Vorbereitung. FC Remscheid, SC Ayyildiz und 1. SpVg. Remscheid. Ob da ein hin und wieder mit etwas Aufwand gepflegter Ascheplatz zwecks Entzerrung dieses Belagerungszustands nicht willkommen wäre?

In Radevormwald fristet der Jahnplatz ein erbärmliches Dasein. Der Ort zahlloser sportlicher Schlachten, die nicht nur die Fußballer schlugen, liegt längst brach. Dem Platz wurde schon vor Jahren zum Verhängnis, dass er a) ziemlich abschüssig und b) mit einer nicht mehr zumutbaren Oberfläche versehen ist, aus der harte Steine ragen. Stattdessen baut die Stadt an einem zweiten Kunstrasenplatz unterhalb der Hallen an der Herrmannstraße, der 2015 fertig und vor allem von Schülern und Jugendlichen genutzt werden soll. Derweil wartet der Jahnplatz darauf, irgendwann in ein Wohnbaugebiet umgewandelt zu werden. Erst dann röhren wohl auch dort wieder Rasenmäher.

Auch in Remscheids Nordwesten, in Grund, hat der Zahn der Zeit den Platz überwuchert. Wo einst der SSV Grund seine Heimstatt hatte, droschen nach der zwangsweisen Versetzung des Klubs an die Düppelstraße zunächst Wuppertaler Baseballer nach viel kleineren Bällen. Inzwischen haben Remscheider Bogenschützen das Revier erobert - auch wenn im Nirwana des umliegenden Wildwuchses gerne mal teure Pfeile auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Die Tragödie des Grunder Platzes ist eng mit der Stadt verflochten. Wegen der Schieflage (das Gefälle von einem Tor zum anderen soll gut zwei Meter betragen haben) und der schwierigen Entwässerung wurde der Platz einst saniert. "Kaputtsaniert", wie man sich heute hinter vorgehaltener Hand in der Verwaltung erinnert, denn: "Dieser Platz ist nie wieder für den Fußballsport herzurichten."

Das ist bei den Fußballern auch gar nicht erwünscht. Die sehnen sich moderne Kunstrasenplätze herbei - auch wenn diese neuerdings aus Kostengründen fast ausschließlich im Miniatur-Format entstehen. Für Nostalgiker bleibt dann nur noch die Fahrt in den "Pott". Da gibt es noch Ascheplätze in Hülle und Fülle. Irgendwo muss die Schlacke ja hin.

(RP)
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