Remscheid Stadt sucht Strategien gegen Einsamkeit im Alter

Remscheid · Die Folgen des demografischen Wandels sind auch in Remscheid spürbar. Immer häufiger findet die Feuerwehr hilflose alte Menschen in ihren Wohnungen. Allgemeiner Sozialdienst will Betroffenen helfen.

In das bergische Schieferhaus in der Hofschaft im Remscheider Norden musste die Feuerwehr mit Gewalt eindringen. Weil die Haustür wegen des dahinterliegenden Mülls nicht geöffnet werden konnte, schlugen die Männer im ersten Geschoss ein Fenster ein. In dem Gebäude selbst konnten sich die Einsatzkräfte nur mit Atemschutzgerät bewegen - weil es in dem Haus so stank, dass sie kaum Luft bekamen. In dem Gebäude selbst lag der Unrat über den gesamten Boden verteilt.

Der Einsatz der Feuerwehr wirkte dramatisch. Das Ordnungsamt hatte zuvor Alarm gegeben, weil in dem heruntergekommenen Haus der Eigentümer vermutet wurde: in möglicherweise hilfloser Lage oder sogar tot. Nach etwa einer halben Stunde konnte Entwarnung gegeben werden. Der Mann befand sich bereits zur Behandlung in einem Krankenhaus.

Fälle wie diese sind für das Ordnungsamt der Stadt bislang noch die Ausnahme. "Wir haben derzeit etwa 25 Einsätze dieser Art", sagt der Leiter des Ordnungsamtes, Jürgen Beckmann. Man schreite nur dann ein, wenn "Gefahr im Verzug" oder die öffentliche Ordnung gefährdet sei - zum Beispiel, weil massiv Ungeziefer auftritt. Es gebe zwar keine Statistik zu den Fällen, allerdings habe er den Eindruck, dass die Zahl der Einsätze "leicht gestiegen" sei, betont Beckmann. Das liege möglicherweise daran, dass die "Leute sensibler geworden" seien.

Zugleich muss sich die Stadt aber auch mit den Folgen einer immer älter werdenden Gesellschaft auseinandersetzen. Viele Menschen leben im Alter allein, haben nur noch wenige soziale Kontakte und vereinsamen. Kommen dann noch demenzielle Probleme dazu, dann können die Betroffenen schnell verwahrlosen. Auch die sozialen Probleme nehmen zu - so stieg die Zahl der "Bedarfsgemeinschaften", also der auf Hartz IV angewiesenen Haushalte, zwischen Juni 2014 und Juni 2015 um mehr als 120 auf 6167. Gut die Hälfte lebt in Single-Haushalten.

Menschen, denen die soziale Vereinsamung droht, möchte das Sozialamt der Stadt helfen. Die Behörde setzt auf Angebote wie Seniorentreffs, um die älteren Menschen zu aktivieren. Das Angebot kann aber nur auf freiwilliger Basis funktionieren. "Wir haben ja kein Mandat für die Betroffenen. Deshalb sind wir darauf angewiesen, dass die Personen mitspielen", sagt Sozialdezernent Thomas Neuhaus. Grundsätzlich gelte jedoch, dass jeder Mensch das Recht habe, so zu leben, wie es ihm gefällt. Dieses "Maß an Andersartigkeit" sei gerichtlich bestätigt worden - und müsse deshalb auch toleriert werden, betont er.

Menschen in prekären sozialen Verhältnissen will der Allgemeine Sozialdienst (ASD) helfen. "Im Jahr haben wir etwa 80 bis 100 Fälle, um die wir uns kümmern", sagt ASD-Leiter Dirk Achenbach. Von vier Standorten in der Stadt aus befassen sich rund 20 Mitarbeiter mit dem Thema. Sozialdezernent Neuhaus sieht trotz der demografischen Herausforderungen die Solidarität in der Stadt positiv. "Hier gibt es viele Heimat- und Sportvereine. Auch in den Stadtteilen finden viele Aktivitäten statt". Das seien wichtige Voraussetzungen, damit Menschen in Alter nicht vereinsamen.

(RP)
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