Remscheid Über Moral, Merkel und den Sinn für Unfairness

Remscheid · Der Philosoph Richard David Precht war Gast beim Sparkassenforum. Vor 200 Gästen hinterließ er durch seine anschauliche und humorvolle Art, Probleme zu beschreiben, einen glänzenden Eindruck.

 Richard David Precht (r.) im Gespräch mit dem Moderator Andreas Franik beim Sparkassenforum.

Richard David Precht (r.) im Gespräch mit dem Moderator Andreas Franik beim Sparkassenforum.

Foto: Jürgen Moll

Über das, was die Welt bewegt, locker vom Hocker und dabei noch verständlich zu parlieren, gelingt Richard David Precht auf unnachahmliche Weise. Insofern landete die Stadtsparkasse Remscheid bei ihrem zweiten Sparkassen-Forum einen Volltreffer. Der TV-bekannte Philosoph und Buchautor plauderte vor über 200 Gästen auf anschauliche Weise über moralisches Handeln und spannte im anschließenden Gespräch mit dem Sparkassen-Vorstandsvorsitzenden Frank Dehnke und dem exzellenten Moderator Andreas Franik den Bogen über die deutsche Bildungslandschaft bis hin zu den aktuell brennenden Herausforderungen an Staat, Gesellschaft und Weltgemeinschaft durch den Flüchtlingsstrom und seine Ursachen.

Was zeichnet Precht als Intellektuellen und Gesprächspartner besonders aus? Auf Fragen antwortet er dezidiert, präzise und ohne verklausulierte Floskeln. Precht hat eine Meinung, und die kann er begründen, dies müssen auch diejenigen dem gebürtigen Solinger zugestehen, die möglicherweise anders denken. In Bezug auf die weltpolitische Lage plädierte er für eine gemeinsame und eigenständige europäische Außenpolitik. Er machte deutlich, dass es mit der Zerschlagung des so genannten Islamischen Staates nicht getan sei. "Andere Warlords werden kommen", prophezeite er in Bezug auf die diversen neuen Pulverfässer, die sich im arabischen Raum heute schon abzeichnen.

Das Dilemma der Politik in diesen Tagen sei, dass die Zeit fehle, um über eine strategische Planung mit einem guten Ziel nachzudenken und Entscheidungen daran auszurichten. "Angela Merkel nimmt unsere Werte ernster als andere europäische Regierungschefs", gab es auch ein Lob an die Kanzlerin. Andererseits sei es natürlich erforderlich, das Gefüge des Rechtsstaates mitsamt seinen Bürgern zu schützen. Vor dem Diskurs über diese ernsten Themen hatte Precht anschaulich und sogar mit viel Humor darüber gesprochen, was Moral eigentlich bedeutet und warum bei weitem nicht immer nach ihr gehandelt wird. Werden Höflichkeit, Fairness und Ehrlichkeit nämlich hin und wieder umgangen, spart das Konflikte, Kontroversen und lange Diskussionen. Kein Ehemann ist immer ehrlich, wenn seine Frau ihn nach seiner Einschätzung über ihr neues Kleid befragt. Niemand sagt dem anderen stets ohne Umschweife, dass er eigentlich nichts von ihm hält. Unseren angeborenen Sinn für Unfairness spüren wir besonders, wenn uns selbst Ungerechtigkeit trifft. "Auch Barmherzigkeit ist ein wunderbarer moralischer Grundsatz. Diesem Ideal aber immer nachzukommen, hieße so zu leben wie Jesus oder Franz von Assisi", sagte Precht. So handeln wolle und könne aber nicht jeder.

(bona)
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