Remscheid Wenzelnberg - von Lüttringhausen aus in den Tod geschickt

Remscheid · Alle Jahre wieder gedenken Menschen aus dem Bergischen Land an die 71 Morde am Wenzelnberg ein paar Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Wenzelnberg ist ein Hügel in Langenfeld. Es geht nicht nur um Erinnerung, auch um Mahnung vor dem Faschismus. Um 11 Uhr am Sonntag findet das Gedenken statt. Neben der Ansprache von Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz gibt es Beiträge von Schülern des Röntgen-Gymnasiums. Thorsten Schwandt von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten NRW hält eine Rede.

Kaplan Dr. Josef Cornelius Rossaint, Häftling des Zuchthauses Lüttringhausen, beschrieb 1983 in einem Interview die Verzweiflung der Häftlinge und die gegenseitigen Beschuldigungen, als der Gestapobesuch angekündigt wurde. "Zelle für Zelle, jeder Raum, auch der Kirchraum, jede Ecke wurde abgesucht". Jeder, der auf der Exekutionsliste der Gestapo stand, versuchte noch ein letztes Mal, durch List oder Gewalt dem Tod zu entkommen. Nur einer, den sie alle Heini nannten, entkam. Zwei Tage harrte er in seinem Versteck, einer Dachschräge, aus. Bis die Amerikaner Lüttringhausen erreichten.

Kurz vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, am 13. April 1945, ermordete die Gestapo in der Wenzelnbergschlucht 71 Häftlinge, die im Zuchthaus in Lüttringhausen inhaftiert waren, durch Genickschuss und verscharrte sie. Augenzeugen berichten, die Gefangenen seien paarweise, Daumen an Daumen gefesselt, zur Hinrichtung geführt worden, manche auch lebendig begraben. Hintergrund für die bestialische Tötung war ein Befehl vom 7. April, die Zuchthausgefangenen den Organen der Sicherheitspolizei zu übergeben. Davon betroffen waren auch politische Gefangene, die noch in Untersuchungshaft saßen. An dieser Stelle kommt der damalige Gefängnisdirektor Dr. Engelhardt ins Spiel, der es am 10. April übernahm, jene Gefangenen der Gestapo zu übergeben, von denen eine mögliche "Gefährdung" ausging. Er galt vornehmlich als "Retter" vieler Gefangener, die er nicht überstellte, damit sie nicht kurz vor Kriegsende noch erschossen werden. Dabei entschied er über Leben und Tod der Häftlinge augenscheinlich nach Gutdünken.

Ein besonders schmerzhafter Aspekt des Wenzelnberg-Massakers: Der Mord an den 71 Häftlingen wird juristisch wohl für immer ungesühnt bleiben. Der militärische Befehlshaber, Generalfeldmarschall Walter Model, entzog sich dem Strafgericht durch Selbstmord (1945), ebenso der SS-Standartenführer Rudolf Batz (1961). Die anderen Täter wurden nicht belangt oder gar nicht erst ermittelt. Und der mutmaßliche Leiter des Exekutionskommandos, SS-Hauptsturmführer Theodor Goeke? Gilt offiziell als vermisst. 40 namentlich bekannte NSDAP-Mitglieder mussten am 30. April die 71 Leichen ausgraben. Am 1. Mai 1945 nahmen 3000 Menschen an der Beisetzung der Opfer und einer verordneten Trauerfeier vor dem Rathaus in Solingen-Ohligs teil. 20 Jahre später, am 23. Januar 1965, wurden die Getöteten nach einer Exhumierung am Wenzelnberg erneut beigesetzt. Seitdem ist der Ort der Tat auch gleichzeitig Gedenkstätte.

(RP)
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