Remscheid "Wir brauchen eine Kultur des Erinnerns"

Remscheid · Seit Anfang des Jahres ist der promovierte Wissenschaftler Dr. Bünyamin Werker Studienleiter der Akademie in Küppelstein. Es will die interdisziplinäre Zusammenarbeit vorantreiben. Rap-Musik gehört zu seinen Spezialgebieten.

 Erfahrungen in allen Bereichen: Dr. Bünyamin Werker singt, forscht an der TU Dortmund und spielte lange Zeit Fußball in Witten.

Erfahrungen in allen Bereichen: Dr. Bünyamin Werker singt, forscht an der TU Dortmund und spielte lange Zeit Fußball in Witten.

Foto: Jürgen Moll

Das Leben hält für Dr. Bünyamin Werker viele Rollen bereit. Er singt als Frontman von "Sons of Gastarbeita", er forscht als Wissenschaftler an der TU Dortmund über spezielle Themen im weiten Feld der kulturellen Bildung, er spielte lange Zeit einen technisch versierten "Sechser" in seinem Wittener Fußball-Verein, und er arbeitete über Jahre bei der Kriegsgräberfürsorge - um nur einige Rollen zu nennen. "Ich bin immer offen für neue Erfahrungen", sagt Werker. Seit Anfang des Jahres ist der promovierte Wissenschaftler Studienleiter der Akademie auf Küppelstein.

Die Vielfalt seiner Erfahrungsbereiche scheinen ihn für sein neues Amt zu prädestinieren. Als Studienleiter gehört es zu seinen Aufgaben zu schauen, wie die einzelnen Fachbereiche an der Akademie interdisziplinär miteinander arbeiten können. Arbeit mit jungen Leuten ist in seinen Augen immer interdisziplinär. In Zusammenarbeit mit seinen Kollegen entwickelt er Kursangebote, in denen alle Sparten möglichst vertreten sind.

Ob nun ein Musical aufgeführt oder eine Haltung zu einem Thema gefunden werden soll - es braucht immer viel Platz zum Ausprobieren, damit die Teilnehmer auch ihre Talente erkennen können. An welche Geschichte(n) soll sich eine Migrationsgesellschaft erinnern? Diese Frage beschäftigt Werker besonders. "Erinnerungskultur zeigt uns den Umgang mit unseren kulturellen Werten", sagt der Studienleiter. Er arbeitete zuvor als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Jugendinstitut sowie am Lehrstuhl Allgemeine Erziehungswissenschaft und Historische Bildungsforschung der TU Dortmund. Kulturelle Bildung, Jugendkultur und Erinnerungskultur gehörten zu seinen Schwerpunkten.

Denkmäler aus Zeiten des Krieges - was erzählen sie uns heute noch, in einer Zeit, in der die letzten Zeugen sterben? Wie gehen neue Generationen damit um, die keine Erinnerung mehr an Krieg und Vertreibung haben? Vieles erschließt sich heute nicht mehr in seiner Symbolik. "Über die Erinnerungskultur definieren wir unsere Zugehörigkeit", sagt Werker. Damit eine offene Gesellschaft einen inneren Zusammenhalt entwickeln kann, braucht es die Kultur des Erinnerns. Und kulturelle Bildung schafft dafür einen vielfältigen Zugang.

"Ich glaube, dass das kognitive Wissen häufig überbewertet wird", sagt Werker. Bildung sei ein ganzheitlicher Prozess, an dem alle Sinne beteiligt sind. Bei der ästhetischen Bildung dürfen für Werker Begriffe wie "Inklusion" und "Diversität" nicht fehlen. Er fasst den Begriff "Inklusion" weiter als im allgemeinen Sprachgebrauch üblich, wo meist Menschen mit Handicap gemeint sind. Inklusion wendet sich gegen jede Form von Ausgrenzung. Was Ausgrenzung bedeutet, hat er in den 90er Jahren erfahren. Mit seinem Geburtsnamen Bünyamin Aslan fiel er in Witten auf. Es ist ein kurdischer Name. Nach dem Fall der Mauer, den Anschlägen gegen Ausländer in Mölln und Solingen, habe er so etwas wie alltäglichen Rassismus gespürt. Anstatt auf die Straße zu gehen, um sich zu prügeln, wählten seine Freunde und er die Rap-Musik. Sie gründeten die Band "Sons of Gastarbeita". "So konnten wir ausdrücken, was wir denken und fühlen", sagt er. Später gründete er das Jugendkulturfestival "Rap für Courage".

Werker wohnt seit gut einem Jahr in Wermelskirchen. Seine Frau, deren Namen er angenommen hat, arbeitet in Bergisch Gladbach. Sie haben Wermelskirchen gewählt, weil es auf halber Strecke zwischen Dortmund und Bergisch Gladbach liegt. Von der Stelle an der Akademie in Remscheid wusste er damals noch nichts. Es war Zufall. Ein glücklicher Zufall und eine neue Rolle in seinem vielschichtigen Leben.

(RP)
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