Kinotipp A Beautiful Mind

In Hollywood hat man ein Herz für Menschen mit psychischen und körperlichen Defekten. Zumindest lassen sich mit Filmen über sie bequem Oscars einsacken, so war's 1989 mit Dustin Hoffman als Autist in "Rain Man" und 1993 mit Al Pacino als Blinder in "Der Duft der Frauen", und das wird vermutlich 2002 nicht anders sein.

Denn einen Golden Globe hat Russell Crowe ("Gladiator") für seine Rolle in "A Beautiful Mind" schon gewonnen. Mit seiner Darstellung des paranoid-schizophrenen Mathe-Genies John Nash gilt er deshalb als Favorit für die Oscarverleihung am 24. März.

Dabei macht Crowe lediglich das, was alle in solchen Rollen machen: reichlich Manierismen einstreuen und ansonsten aufdrehen, als gäbe es morgen kein Kino mehr. 1947: Schon als Student verblüfft der immer leicht neben der Spur wirkende John Nash mit revolutionären Entdeckungen. Niemand erkennt allerdings seine Krankheit: Von Zeit zu Zeit sieht er Leute, wo keine sind, und mit ihnen kann sich der kontaktgestörte Eigenbrötler auch hervorragend unterhalten.

Als er nach seinem Studium selbst eine Lehrstelle antritt, lernt er die schöne Studentin Alicia (Jennifer Connelly) kennen, die er später heiratet. Gleichzeitig aber stürzt er sich in einen hochbrisanten Regierungsauftrag: In Zeitschriften soll er versteckte Geheimcodes der Sowjets ausfindig machen - glaubt er jedenfalls. Mit der Zeit sieht er überall kommunistische Agenten und bricht psychisch total zusammen. Die Ärzte versuchen es mit Insulintherapie und Hammermedikation, aber dadurch lähmen sie auch Nashs genialen Geist.

So setzt er die Pillen ab, dreht total durch und versucht schließlich, das Problem mit Hilfe seiner Logik in den Griff zu bekommen. Mit Erfolg: 1994 erhielt Nash den Nobelpreis. Regisseur Ron Howard ("Apollo 13") ist natürlich kein Dilettant, er weiß genau, wie ein solcher Stoff zu inszenieren ist, damit ihm die oscarverleihende Hollywood-Academy zu Füßen liegt.

Kurz: Er macht es wie immer, gibt seinem Hauptdarsteller reichlich Raum zum "Brillieren" und spart gegen Ende nicht mit Druck auf die Tränendrüsen, unterstützt von der gewohnt pathetischen Musik James Horners ("Titanic"). Interessant ist dabei eher die erste Hälfte, in der Howard die Halluzinationen Nashs unkommentiert auf die Leinwand bringt und somit für den Zuschauer ganz real erscheinen lässt. In der zweiten Hälfte dagegen läuft alles streng nach den Regeln des "anspruchsvollen" Rührstücks. Nashs eigentliche Leistungen bleiben dagegen diffus. Es wird zwar immer wieder betont, wie wichtig seine Entdeckungen auch für das alltägliche Leben sind, aber erklärt wird nichts - Mathe mag ja eh keiner.

Also wird Howard nicht müde, gigantische, möglichst unübersichtliche Monster-Formeln zu zeigen, während im Off jemand zusammenhanglos Zahlen und Variablen dazu brabbelt. Da Nash aber mittels seiner Logik am Ende die Schizophrenie in den Griff bekommt, hätte dieser Teil mehr Klarheit verdient gehabt; es wäre hilfreich gewesen, wenn der Film über das wohlfeile Klischee des spinnerten Genies hinausgekommen wäre. So wird der Betrachter am Ende das ungute Gefühl nicht los, dass die ganzen Krokodilstränen nur ein geschicktes Oscar-Kalkül darstellen. jwi

(NGZ)
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