Rhein-Kreis Neuss Auch Steuersünder in der Region setzen auf Selbstanzeigen

Neuss · Der Ankauf immer neuer Steuer-CDs und die Fälle von Prominenten vor Gericht erhöhen den Druck. Experten sind stark gefragt.

Rhein-Kreis Neuss: Auch Steuersünder in der Region setzen auf Selbstanzeigen
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Es könnte der Prozess des Jahres werden: Ab Montag muss sich Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern, wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten. Wie Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel oder "Emma"-Herausgeberin Alice Schwarzer steht Hoeneß für die Spitze des Eisbergs. Die Fälle der Prominenten und die Tatsache, dass deutsche Behörden immer neue CDs mit Daten deutscher Steuersünder aus der Schweiz ankaufen, lässt die Zahl der Selbstanzeigen auch im Rhein-Kreis in die Höhe schnellen. Im Bereich des in der Region für Steuerstrafsachen zuständigen Finanzamtes Düsseldorf liegen zum Stichtag 3. Februar insgesamt 2077 Selbstanzeigen allein mit Bezug zur Schweiz vor. Das entspricht einem Plus von 133 Fällen im Vergleich zum Vormonat. Landesweit weden derzeit über 12 000 Selbstanzeigen bearbeitet.

Bei Steuerberatern häufen sich die Anfragen von Menschen, die "reinen Tisch" machen und so straffrei davonkommen wollen. Micha el Kalus, Partner der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KBHT in Neuss, hat fast täglich mit entsprechenden Anfragen zu tun: " Inzwischen ist der Handel mit Steuer-CDs ein lukratives Geschäft, an dem immer mehr Menschen mitverdienen wollen. Die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, hat sich stark erhöht."

Kalus hält die Tage für geheime Konten in europäischen "Steueroasen" für gezählt. Ein Grund: Die Banken in Ländern wie der Schweiz stehen inzwischen unter internationalem Druck. "Erste Schweizer Banken drohen ihren deutschen Kunden mit Kontoschließung, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie ihr Vermögen ordnungsgemäß versteuern", sagt Kalus. Er rät Betroffenen, schnell zu handeln. Noch biete die steuerliche Selbstanzeige die Chance auf Straffreiheit. Im Grundsatz haben sich Bund und Länder bereits auf schärfere Regeln für Steuerhinterzieher verständigt. Voraussichtlich ab 2015 werden Betroffene ihre Steuererklärung nicht mehr für die zurückliegenden fünf, sondern für zehn Jahre korrigieren müssen, wenn sie mit einer Selbstanzeige straffrei ausgehen wollen. Außerdem sollen die Strafzuschläge bei schweren Fällen von Steuerhinterziehung angehoben werden.

Das passt zur veränderten öffentlichen Diskussion. Anders als noch vor einigen Jahren wird Steuerhinterziehung inzwischen gesellschaftlich stärker geächtet: "Wer überführt und verurteilt wird, steht am Pranger. Das betrifft nicht nur Prominente, sondern auch ganz normale Klienten, zum Beispiel aus dem Mittelstand", berichtet Kalus. Ist die Steuerfahndung einmal tätig, würden häufig Geschäftsräume und private Wohnungen durchsucht: "Das bleibt Mitarbeitern und Nachbarn nicht verborgen." Die Betroffenen stünden — nicht selten nach Jahrzehnten engagierter Tätigkeit in Beruf und Gesellschaft — vor einem Scherbenhaufen.

Immer häufiger registriert der Neusser Steuerberater auch Anfragen einer Gruppe, die bislang weniger im Fokus stand: die Erben "schwarzer Konten" im Ausland. Sollten sie solche Konten des Erblassers dem Finanzamt gegenüber verschwiegen und die Zinseinnahmen nicht deklariert haben, drohten auch ihnen Strafen — ganz unabhängig davon, ob sie selbst bislang "steuerehrlich" waren.

Wer dem entgehen möchte, sollte, so der Rat des Experten, nicht nur schnell, sondern auch überlegt handeln und sich fachmännischen Rat einholen. Prinzipiell sei dies für eine Selbstanzeige zwar nicht erforderlich, das Risiko, das die Anzeige schon durch kleinste Fehler unwirksam wird und dennoch Geld- oder Gefängnisstrafen drohen, sei jedoch hoch.

Bei der Auswahl des Steuerberaters sollten Klienten zudem nachfragen, ob die Kanzlei über entsprechende Kompetenzen und Netzwerke verfüge. Wichtig sei zum Beispiel, dass Kontakt zu Kollegen in der Schweiz bestehe. Der Hintergrund: Sensible Daten ausländischer Banken sollten tunlichst so nach Deutschland transportiert werden, dass sie nicht vom deutschen Zoll abgefangen und untersucht werden. "Und das geschieht häufiger, als man denkt" sagt Kalus. Damit sei die Chance für strafbefreiende Selbstanzeige bereits vertan.

Nach wie vor gilt: Ist die Straftat schon entdeckt oder werden die bisher unversteuerten Einkünfte nicht lückenlos nacherklärt, bleibt eine Selbstanzeige unwirksam. Genau um diese Fragen geht es ab Montag auch im Prozess gegen Uli Hoeneß.

Bei einer erfolgreich gestellten Selbstanzeige hingegen müssten die Steuersünder, so Kalus, zwar mit hohen Nachzahlungen rechnen, könnten das verbleibende Vermögen dann aber auch in Deutschland wieder nutzen: "Mit Geld von ,schwarzen Konten' fangen Sie sonst nicht viel an. Wer damit größere Anschaffungen tätigt, läuft sofort Gefahr, entdeckt zu werden."

(NGZ)
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