Entwicklung der Schullandschaft Der große Schulreport für den Rhein-Kreis

Rhein-Kreis · Die Schullandschaft im Rhein-Kreis ist im Umbruch. Welche Schulform Zukunft hat, darauf hat auch die Politik keine eindeutige Antwort und ist der Diskussion überdrüssig. Eine Bestandsaufnahme.

 Eine Lehrerin schreibt an eine Tafel im Klassenzimmer.

Eine Lehrerin schreibt an eine Tafel im Klassenzimmer.

Foto: dpa, jst axs cul

Die meisten Haupt- und Realschulen im Kreisgebiet laufen aus. In Neuss wurde etwa die Mildred-Scheel-Schule zum Schuljahr 2016/2017 aufgelöst. In Meerbusch lernten 2006 noch 292 Hauptschüler, nun gibt es dort keinen einzigen mehr. Und in Grevenbroich besuchen im Vergleich zu 2006 heute nur noch etwa ein Fünftel der Schüler eine Hauptschule.

Insgesamt ist die Zahl der Hauptschüler im Kreis in zehn Jahren um mehr als 80 Prozent gesunken. Die Zahl der Realschüler schrumpfte um 40 Prozent. Dabei gehen zehn Jahre später nicht etwa auch entsprechend weniger Schüler im Kreis zur Schule - Haupt- und Realschule sind einfach nicht mehr so attraktiv. Kann die Sekundarschule das auffangen?

Fest steht: Im Kommen sind ganz klar die Gesamtschulen. Zwischen 2006 und 2016 ist die Zahl der Gesamtschüler im Kreis um mehr als 60 Prozent angewachsen. Bei der Linken und der SPD freut man sich über den Erfolg. "Die SPD ist ein Verfechter der Gesamtschulen und des langen gemeinsamen Lernens", sagt Rainer Thiel, Fraktionsvorsitzender der SPD im Kreistag.

Das sieht auch die Vorsitzende der Linke-Fraktion im Kreistag, Kirsten Eickler, so. "Ich bin ein Fan der Gesamtschule. Dort bleiben den Kindern alle Möglichkeiten offen", sagt sie.

Doch der Erfolg der Sekundarschule bleibt bislang aus. Die Sekundarschule in Jüchen wurde zum Schuljahr 2016/2017 in eine Gesamtschule umgewandelt. Gerade mal 1063 Sekundarschüler gibt es aktuell (Stand 15. Oktober 2016) im Kreis verteilt auf drei Schulen. Im Vergleich steht vor allem die Internationale Schule in Neuss sehr gut da. In zehn Jahren hat sich der Zahl der Schüler dort mehr als verdoppelt.

Anmerkung der Redaktion: In Jüchen und Kaarst gab es 2006 noch keine Gesamtschulen.

Die Linke und die SPD sehen die Sekundarschulen im Zugzwang, Aufklärung zu leisten, um diese missverstandene Schulform etablieren zu können. Auch die CDU glaubt, dass Eltern nicht ausreichend über die Schulform informiert sind. Die Gesamtschule sei hingegen eine Option für den Großteil der Eltern. So kommt es wahrscheinlich auch zu den hohen Anmeldezahlen. Die Politik scheint der Diskussion aber überdrüssig.

Wenn die Anmeldungen an den Neusser Sekundarschulen so bleiben wie in den vergangenen Jahren, dann müssen die Klassen wieder aufgefüllt werden. Nur ein Viertel der Plätze konnte in der Vergangenheit durch direkte Anmeldungen besetzt werden.

Die Zukunft der Sekundarschule scheint ungewiss. "Ich würde nicht sagen, dass die Schulform gescheitert ist, aber sie tut sich schwer, ", sagt Rainer Thiel von der SPD. "Sie kann es aber schaffen. Sie muss nur zeigen, was sie kann. Das ist eben auch ein Markt. Die Sekundarschule muss sich um Schüler bemühen."

Thiel sieht ein Problem darin, dass die Sekundarschule keine Oberstufe anbietet — wie die Gesamtschule. Mit Oberstufen als Kooperationspartner könnten auch Sekundarschulen erfolgreicher sein.

Die Sekundarschule werde oft als "schlechte Realschule und verbesserte Hauptschule" wahrgenommen, berichtet auch die Vorsitzende der Linke-Fraktion im Kreistag, Kirsten Eickler. "Viele haben Angst, dass der Abschluss nicht genug wert ist. Das entspricht nicht der Realität. Es wird aber auch zu wenig Aufklärung diesbezüglich geleistet", sagt Eickler.

Die Linken-Politikerin findet, dass es in Zukunft nur noch eine Schulform geben sollte. "Bis zur zehnten Klasse lernen alle zusammen, und dann können Schüler, die Abitur machen möchten, zu Oberstufenzentren wechseln. Wie beim Gesamtschulkonzept", sagt Eickler.

Die CDU hingegen steht hinter dem gegliederten Schulsystem. "Man kann Kinder nicht gleich behandeln. Deshalb ist das mehrgliedrige Angebot gut. Die Realschule hatte ein hervorragendes Angebot", erklärt der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Dieter Welsink.

Auch an der Sekundarschule hält die CDU fest. "Sie gibt Kindern eine Perspektive, die nicht auf ein Gymnasium gehen können", sagt Welsink. "Ich würde der Schulform eine Chance geben. Sie hat nur ihre Position zwischen einem Gymnasium und einer Gesamtschule noch nicht finden können". Eltern hätten "Angst, auf das falsche Pferd zu setzen", weil sie nicht richtig über die Schulform informiert seien. Dabei weise die Sekundarschule auch viele Stärken auf. "Es gibt einen individuellen Unterricht und Lehrer gehen auf Stärken und Schwächen der Schüler ein", sagt der CDU-Politiker.

Letztendlich komme es aber nicht auf die Schulform an, sondern auf das Engagement der Lehrer, sagt Rainer Thiel von der SPD. Der Politiker kann aber verstehen, warum sich Eltern in den Orten, in denen es genug Gesamtschulen und Gymnasien gibt, für diese Schulformen entscheiden. "Als Elternteil würde ich mein Kind auch eher zu einer Gesamtschule als zu einer Sekundarschule schicken, weil es da alle Abschlüsse machen kann", sagt Thiel.

Mitarbeit an den Grafiken: Phil Ninh

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