Die Brüder Josef und Johannes Geller Der Aufbruch in die Moderne

Von Carsten Greiwe

Von Carsten Greiwe

Es war ein Ausbruch der Avantgarde im traditionsverbundenen Neuss: Die Brüder Josef und Johannes Geller sorgten gemeinsam mit den Künstler und Architekten Peter Behrens sowie Jan Thorn Prikker dafür, dass die Quirinusstadt in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gleichsam zur Werkbank für eine künstlerische Moderne des "Sturm und Drang" wurde.

Noch heute zeugen das katholische Gesellenhaus an der Sternstraße das von Behrens entworfen wurde, und die Kirche Heilige Dreikönige mit den Fenstern von Prikker von diesem Aufbruch in die Moderne, die - wie könnte es anders sein - heiß umstritten war. Josef Geller, der zuvor Kaplan an St. Quirin gewesen war, verlor durch sein Engagement sogar seine Stelle als Pfarr-Rektor der jungen Dreikönigsgemeinde und wurde strafversetzt.

Bevor Geller diese Stelle 1913 angetreten hatte, begleitete er als Präses der Kolpingfamilie den drei Jahre zuvor vollendeten Neubau des Gesellenhauses, nachdem die alte Heimstatt der Gemeinschaft am Hamtorwall zu klein geworden war.

Josef Geller und sein Bruder Johannes - Rechtsanwalt mit einer Kanzlei an der Kanalstraße - standen als kunstsinnige Zeitgenossen bereits länger in Kontakt mit Peter Behrens, der Professor an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule war. Er, der von Hause aus Maler war, beschäftigte sich intensiv mit Architektur und brach dabei mit den pompösen Stilformen der wilhelminischen Zeit. Sein Gesellenhaus wurde denn auch zum Ausrufungszeichen einer neuen Schlichtheit.

"Als ich begann, Skizzen zu dem neuen Bau des katholischen Gesellenhauses zu Neuß zu entwerfen, erschien es mir klar, daß ein solches Haus keinen weltlichen, äußeren Repräsentationszwecken zu dienen habe, sondern daß der Charakter des Gebäudes schon im Äußeren trotz der nicht allzu geringen Abmessungen einen Anflug von Bescheidenheit und behaglicher Einfachheit verraten müsse", schrieb Behrens selbst in der zeitgenössischen Festschrift zur Eröffnung des Hauses im Jahre 1910.

So hat sein architektonischer Entwurf einen beinahe monastischen Charakter, der dem "verinnerlichte Leben" der Gesellen entsprechen sollte. Der einem Kreuzgang gleiche Arkadenhof ist Ausdruck für diese Anleihe an die mittelalterlichen Klöster. Den künstlerischen Höhepunkt bildet die Kapelle, deren Ausgestaltung jedoch etwas später in Angriff genommen wurde.

Dafür nahm Präses Geller Kontakt zu Jan Thorn Prikker auf, denn der holländische Künstler, einer der bedeutendsten Repräsentanten der Moderne, sollte die Fenster und ein Fresko gestalten. Fast zeitgleich beauftrage ihn der Geistliche auch mit der Gestaltung der Fenster von Heilige Dreikönige.

Doch die moderne Kunst stieß auf völliges Unverständnis der Kölner Kirchenoberen. Noch bevor die Kirchenfenster eingesetzt werden konnte, wurde Rektor Geller strafversetzt. Sein Nachfolger ließ gar die Fenster der Gesellenhaus-Kapelle wieder entfernen. Doch Geller erwarb sie zurück und stiftete sie dem Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld. Von dort konnten Repliken gemacht werden, die schließlich 1964 an der Sternstraße eingesetzt wurden. Bereits 1919 besann sich die Kölner Kurie und genehmigte den Einbau der Kirchenfenster in der Dreikönigskirche.

Das Gesellenhaus selbst wurde im Ersten Weltkrieg das größte Lazarett der Stadt. Und auch danach konnte die Kolpingsfamilie - bedingt durch Wirtschaftskrise und Inflation - das Haus nur eingeschränkt im Sinne Adolf Kolpings nutzen. So war es kaum zu finanzieren, wandernden Gesellen kostenfrei Kost und Logis zu bieten.

1942 wurde das Haus an die Traktorenfirma IHC vermietet, um es dem Zugriff der Nazis zu entziehen. 1944 zerstörten alliierte Bomben das architektonische Kunstwerk, wobei 80 Bewohner ums Leben kamen. Nach dem Krieg konnte es die Kolpingsfamilie nur unvollständig wieder aufbauen. Es entwickelte sich für den Verein zu einem "Fass ohne Boden", so dass schließlich das Land Nordrhein-Westfalen den Behrens-Bau kaufte. Seither sind das Quirinus-Gymnasium und die Fern-Universität Hagen dort untergebracht.

(NGZ)
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